Kaci Hickox fühlte sich, als hätte sie etwas verbrochen. Nach der Landung auf dem Flughafen Newark, nach zwei Tagen beschwerlicher Reise aus Sierra Leone, wo sie Ebola-Kranke versorgt hatte, saß sie stundenlang in einem kleinen Zimmer, in dem sie immer neue Beamte ins Kreuzverhör nahmen. Einige stellten sich vor, andere nicht. Alle trugen Schutzanzüge, Gummihandschuhe und Atemschutzmasken.
"Einer, wahrscheinlich ein Grenzkontrolleur, unter seinem Overall konnte man eine Waffe am Gürtel erkennen, bellte mir Fragen zu, als wäre ich eine Kriminelle", schrieb die texanische Krankenschwester in den "Dallas Morning News", ihrer Heimatzeitung. "Ich war müde, hungrig und verwirrt." Dann beschloss sie zu klagen, womit ihr Fall zum Politikum wird. Es geht gegen Chris Christie, den Gouverneur von New Jersey, der sich Chancen ausrechnet, 2016 das Rennen ums Weiße Haus zu gewinnen. Hickox sehe ihre Menschenrechte verletzt, ohne dass es medizinische Gründe dafür gäbe, sagt ihr Anwalt und spricht von einer bizarren Überreaktion der Behörden.
Zwangsquarantäne beschlossen
Gemeinsam mit Andrew Cuomo, seinem Amtskollegen im Bundesstaat New York, hatte Christie am Freitag entschieden, jeden, der aus den Ebola-Gefahrenzonen Westafrikas einreist, unter Zwangsquarantäne stellen zu lassen. Zuvor waren die 21 Tage Quarantäne eine freiwillige Angelegenheit gewesen. Wer aus dem Krisengebiet kam, dem wurde empfohlen, diese einzuhalten, wohl wissend, dass heimkehrende Mediziner Umsicht an den Tag legen würden.
Dann aber reagierte das Gouverneursduo auf die Causa Craig Spencer, den Fall eines jungen Arztes, der in Guinea geholfen hatte. Zurück in New York, führte er ein normales Leben, er joggte, ging einkaufen, besuchte eine Kneipe samt Bowlingbahn. Nun liegt er mit Ebola in einer Klinik, was Christie harte Töne anschlagen lässt. "Man sollte nicht auf Freiwilligkeit setzen, wenn es um etwas so Ernstes geht", rechtfertigt sich der Republikaner, während der Demokrat Cuomo bereits bedauernd zum Rückzug bläst. Er könne kein Wagnis eingehen, und Kaci Hickox sei offensichtlich krank.
Junge Idealistin
Soweit sie wisse, sei der Herr Gouverneur kein Doktor, spottet die unfreiwillige Patientin, zudem habe er sie kein einziges Mal aus der Nähe betrachtet. "Wir sollten uns hüten, Politiker medizinische Entscheidungen treffen zu lassen." Es ist nicht das erste Mal, dass die 33-Jährige in den Tropen Kranke versorgte, schon deshalb fühlt sie sich behandelt wie ein unmündiges Kind. In Uganda kümmerte sich Hickox um Gelbfieberpatienten, in Burma managte sie ländliche Kliniken, sie war in Nigeria und im Sudan, eine junge Idealistin, wie man sie so oft in Amerika findet.
Seit Freitag war sie buchstäblich gefangen in einem Newarker Krankenhaus, in einem Zelt ohne Dusche, ohne Fernseher, mit ihrem iPhone als einziger Verbindung zur Außenwelt. Fieber hatte sie keines, auch bei ihrer Einreise war sie fieberfrei. Nur einmal, als nach stundenlanger Befragung im Flughafen-Kabuff nachgemessen wurde mit einem Scanner, stellten die Beamten erhöhte Temperatur fest. Ihre Stirn sei vielleicht heiß, erklärte Hickox, aber nur, weil sie gerade sehr erregt sei. Der Einwand bewirkte zunächst nichts.
Erst am Montag wurde sie nach heftigen Protesten aus der Zwangsquarantäne entlassen. Die Frau dürfe nach Hause zurückkehren, nachdem alle Tests negativ gewesen seien und sie in den letzten 24 Stunden keine Symptome der tödlichen Krankheit gezeigt habe, hieß es aus dem Büro des Gouverneurs.
Politischer Populismus
Dass die Politik manchmal populistisch übers Ziel hinausschießt, die Panik eher schürt, statt sie zu dämpfen, es ist ein Eindruck, den etliche Fachleute teilen. "Die Epidemie stoppt man am besten, indem man den Menschen in Westafrika hilft", betont Anthony Fauci, einer der führenden Ebola-Experten des Landes. Wer sich im Seuchengebiet aufopfere, den sollte man feiern wie einen Helden, statt ihn mit einem Stigma zu versehen, mahnt Barack Obamas UN-Botschafterin Samantha Power, während sich einer der Ärzte in schonungsloser Offenheit aus Liberia zu Wort meldet. "Wenn ich an meine Rückkehr in die USA denke", sagt Steven Hatch, ein Doktor aus Massachusetts, "habe ich mehr Angst, als ich je hatte, seit ich in Afrika Patienten mit Ebola behandle."
Neue Richtlinien veröffentlicht
Die US-Seuchenbehörde CDC hat nach dieser Kritik neue Richtlinien zum Umgang mit Rückkehren aus den Ebola-Gebieten veröffentlicht. In den am Montagabend (Ortszeit) bekanntgegebenen Maßnahmen ist von vier Kategorien die Rede, von hoch- bis geringgefährdeten Personen.
Hochgefährdete Menschen mit oder ohne Symptome sollen demnach öffentliche Verkehrsmittel und größere Ansammlungen von Menschen vermeiden und 21 Tage lang zu Hause bleiben. Zu den Hochgefährdeten gehören Pflegekräfte oder Familienmitglieder, die in von Ebola betroffenen Ländern Westafrika Patienten behandelt haben und mit Körperflüssigkeiten in Kontakt kamen.
Weniger gefährdetes medizinisches Personal, das in Schutzanzügen mit Patienten zu tun hatte, wird empfohlen, zweimal am Tag die Körpertemperatur messen, sie können sich aber frei bewegen. Gering gefährdete Menschen, die kürzlich in Westafrika waren, aber keinen Kontakt zu Ebola-Patienten hatten, sollten laut den neuen Richtlinien ihre Körpertemperatur im Auge behalten, dürften aber weiterhin reisen.
Test bei Fünfjährigem negativ
Der Verdacht auf Ebola bei einem fünfjährigen Buben in New York hat sich indessen nicht bestätigt. Er sei negativ auf das Virus getestet worden, teilten die New Yorker Gesundheitsbehörde und das Krankenhaus, in dem er behandelt wurde, am Montag mit. Der Bub, der vor kurzem in Westafrika gewesen ist, bleibe dennoch auf der Isolierstation des Bellevue Hospital.
Dort soll er nochmals auf das Virus getestet werden, um sicherzustellen, dass sein leichtes Fieber nicht in Zusammenhang mit der Seuche steht. (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD / APA, 28.10.2014)