Sofia/Athen - Der Präsident lauscht mit versteinerter Miene; der Übergangspremier, von einem gewissen Unernst getragen, grinst die meiste Zeit, und der Patriarch lässt sich von jedem Redner die Hand reichen: Mehr als ein halbes Dutzend Parteiführer sieht Neofit, das Oberhaupt der bulgarischen Kirche, bei der Parlamentseröffnung am Montag an sich vorbeiziehen. Jeder von ihnen legt sein Programm dar, während Rossen Plewneliew nur tiefer in seinen Sessel sinkt. Bulgarien brauche keine Erlöser, um Entscheidungen zu treffen, mahnte der Präsident in seiner Rede. Die Parteien sollen sich endlich zusammenraufen und eine Koalition bilden, wollte Plewneliew damit sagen.

Eine Rekordzahl von acht Parteien zog nach den Wahlen Anfang des Monats ins Parlament in Sofia ein. Der frühere Regierungschef Boiko Borissow und seine Mitte-Rechts-Partei Gerb stellen zwar die größte Gruppe im Plenum, brauchen aber Koalitionspartner. Das erwies sich nach drei Wochen Sondierungen als schwierig. Keiner will wirklich mit Borissow.

"Schädlich für die Partei"

Er sei bereit, die Regierungsverantwortung zu übernehmen, auch wenn es zum Schaden seiner Partei sei, erklärte der bullige Expremier zu Beginn der konstituierenden Sitzung des Parlaments. Doch Neuwahlen im Jänner seien noch schädlicher fürs Land.

Seit Borissow im Februar 2013, auf dem Höhepunkt wochenlanger Straßenproteste gegen die hohen Strompreise und die Armut im Land, unerwartet seinen Rücktritt erklärt hatte, rutschte Bulgarien nur tiefer in die politische und wirtschaftliche Krise. Vorgezogene Wahlen im Frühjahr 2013 brachten Borissow nicht den erhofften neuen Sieg; doch auch die nachfolgende Koalition von Sozialisten und liberaler Wirtschaftspartei DPS musste ohne Mehrheit im Parlament und zermürbt von neuerlichen Straßenprotesten im Sommer dieses Jahres aufgeben.

Montagnachmittag gelingt Borissow zumindest die Wahl seiner Parteifreundin Tsetska Tsatschewa zur neuen Parlamentspräsidentin. Die Juristin, die diesen Posten bereits während der Regierungszeit von Gerb zwischen 2009 und 2013 innehatte, erhielt breite Zustimmung im Parlament; lediglich die Abgeordneten der rechtsgerichteten Partei Ataka stimmten gegen sie. Für Borissow und Staatschef Plewneliew, einen früheren Minister der Gerb-Regierung, ist dies zumindest ein Signal, dass der Führungsanspruch der Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens (Gerb) von den anderen Parteien anerkannt wird.

Fischer nach Sofia

Eine Koalition mit der rechtsnationalistischen Patriotischen Front und dem rechten Kleinparteienbündnis Reformblock scheint weiter das plausible Ergebnis der Regierungssuche.

Bundespräsident Heinz Fischer kommt am Freitag zu einem Arbeitsbesuch nach Bulgarien.(Markus Bernath, DER STANDARD, 28.10.2014)