Zum Trocknen ausgelegte Scherben. Die Göttinger Forscher entdeckten unter anderem Hinweise auf Opferfeiern mit Trinkgelagen.

Foto: Universität Göttingen

Im Jahr 599 vor unserer Zeitrechnung siedelten Griechen aus Syrakus im Süden Siziliens und gründeten die Stadt Kamarina. Doch die Siedlung brach mit der Mutterstadt und verbündete sich mit den Bewohnern der Region, den Sikulern. 553 vor unserer Zeitrechnung kam die Rache aus Syrakus: die Stadt wurde zerstört und erst rund hundert Jahre später, um 461 vor unserer Zeitrechnung, neu gegründet. Dabei wurde das fruchtbare Umland in ein regelmäßiges Raster gegliedert und ihren Bewohnern zur Nutzung zugeteilt.

Wissenschafter der Universität Göttingen erforschen derzeit dieses Territorium – an der Erdoberfläche und mit geoelektrischen Methoden auch darunter. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Landverteilung räumlich und zeitlich begrenzt war. Außerdem fanden die Forscher Heiligtümer und Opferstätten sowie korinthische Keramik aus der ersten Phase der Stadtgründung.

Im 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung wurde das Land um Kamarina in rechtwinklige, vier Hektar große Parzellen aufgeteilt. Allerdings hatte dies nur wenige Generationen lang Bestand, denn schon im 3. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung entstanden hier in der römischen Zeit kleine ländliche Produktionszentren. Auch die geografischen Gegebenheiten, insbesondere Flusstäler mit ihren Steilhängen, begrenzten die Ausweitung der rasterhaften Landaufteilung.

Zudem war damit nicht zwingend eine Gleichbehandlung der Bauern verbunden, wie der Göttinger Archäologe und Projektleiter Johannes Bergemann erläutert: "Nicht selten dürften mehrere Parzellen zu einem Besitz zusammengefasst worden sein. Anders als politische Egalität war Gleichheit des Besitzes kein Thema des antiken griechischen Diskurses."

Opferfeiern mit Trinkgelagen

Im Umland von Kamarina stießen die Wissenschafter neben den Bauernhöfen auch auf antike Begräbnisstätten und vor allem Heiligtümer. "Wir haben große Mengen von schwarzgefirnisster Feinkeramik gefunden, gleichzeitig aber nur relativ wenige Dachziegeln", so Bergemann. "Dies deutet darauf hin, dass es Opferfeiern mit Trinkgelagen gegeben haben muss, für die viel Geschirr notwendig war. Gleichzeitig existierte dafür aber nur ein kleiner Sakralbau. An einer Stelle haben wir vielleicht das Fragment einer Kultstatue entdeckt."

An der Erdoberfläche wurden historische Artefakte gesammelt, sichtbare Mauern und Gräber vermessen und die Veränderung der historischen Landschaft anhand von Satellitenaufnahmen und digitalen Geländemodellen untersucht. Außerdem wurden mit Messungen der elektrischen Spannung an der Erdoberfläche verdeckte antike Strukturen unter der Oberfläche gesucht und kartiert – ohne die darüber liegenden jüngeren Funde zu zerstören.

Funde aus prähistorischer Zeit

Überraschend stießen die Forscher dabei auf zahlreiche korinthische Keramik des 6. Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung, also aus der ersten Phase nach der Gründung Kamarinas. Auch fanden die Archäologen Reste aus der vorgriechischen prähistorischen Zeit und konnten spätere römische Siedlungsplätze identifizieren. "Mit der Kombination unserer Methoden können wir die Geschichte des Umlandes von Kamarina über mehrere Jahrtausende nachzeichnen", erläutert Bergemann. "Die griechische Präsenz scheint sich auf das kleinteilig gegliederte Umland der Stadt konzentriert zu haben, während in der römischen Zeit die großen Flächen des Hinterlandes systematisch für die Landwirtschaft erschlossen wurden." (red, derStandard.at, 2.11.2014)