Bis 1939 wurden Personenstandsfälle zuvorderst in Kirchenmatriken gesammelt. Auch 2014 führten einige kleinere Standesämter Geburts-, Ehe- und Sterbebücher noch aussschließlich in Buchform.

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Wien - "Von der Wiege bis zur Bahre", so beginnt eine alte Volksweisheit, und sie endet mit der Pointe: "Formulare, Formulare". Die lückenlose Dokumentation von Geburten, Eheschließungen und Sterbefällen regelten bisher hunderte Standesämter im Land nach ihren jeweils eigenen Mechanismen.

Nun wird eine einzelne Datenbank mit Millionen von Datensätzen das dezentrale System ablösen. "Österreich ist ein Land mit Registerwahn", zitierte darob die Arbeitsgemeinschaft Daten den Juristen Udo Jesionek und schlussfolgerte weniger reimsicher: "Von der Wiege bis zur Bahre – Daten, Daten und nochmals Daten".

Kein System für neugierige Verwandte

Dabei hielten sich die Datenschützer, verglichen mit der Einführung der Gesundheitsakte Elga oder der Vorratsdatenspeicherung, zum Start des Zentralen Personenstandsregister (ZPR) fast vornehm zurück. Wenn das ZPR am 1. November in Kraft tritt, bündelt es 16 Millionen personenbezogene Datensätze, darunter auch die Eingetragenen Partnerschaften.

Kopfzerbrechen bereitet der Arge Daten die Möglichkeit, dass mit einem einzigen Knopfdruck künftig alle Menschen ausgeforscht werden können, die sich in einer deklarierten homosexuellen Beziehung befinden. Im ursprünglichen Gesetzesentwurf war vorgesehen, dass sich auch neugierige Verwandte entsprechende Urkunden beliebig ausstellen lassen können. Hier besserte der Gesetzgeber nach und erlaubt solche Pauschalabfragen laut dem neu geschaffenen Personenstandsgesetz nur noch der Polizei und anderen Sicherheitsbehörden.

Schulungsteilnehmer mit Schwierigkeiten

Die eigentliche Bedienergruppe entspricht allerdings den rund 4000 Beamten in 1374 österreichischen Standesämtern oder Standesamtverbänden. Sie wurden in den vergangenen eineinhalb Jahren von ihren meist lokalen IT-Lösungen auf die neue browserbasierte Software umgeschult.

Bis zuletzt kämpften die Kursteilnehmer mit technischen Schwierigkeiten wie unvollständiger Datenmigration oder gar Totalabstürzen. Noch Ende September schaffte der Nationalrat die Voraussetzungen, um den Start des ZPR notfalls auf Juni 2015 zu verschieben. Das wird nicht nötig sein, meint der legistische Leiter des Projekts im Innenministerium, Walter Grosinger. Alles im Plan, "auch wenn der Datenbestand noch nicht hundert Prozent beträgt", sagte Grosinger bei einem Pressegespräch am Dienstag. Die noch fehlenden Datensätze sollen alsbald nachgetragen werden.

Stresstest nach Verzögerungen bestanden

An Verzögerungen mangelte es der Entstehungsgeschichte des Registers freilich nicht. Nachdem der Städtebund bereits 2005 ein zentrales Verzeichnis gefordert hatte, war die Einführung zunächst für April 2013 geplant. Bald wurde klar, dass sich das nicht ausgeht. Nachdem auch der auf den darauffolgenden November anberaumte Ersatztermin wackelte, verschob das Ministerium den Start ein weiteres Mal, diesmal um ein ganzes Jahr.

"Es ist immerhin das größte Verwaltungsregister für natürliche Personen in Österreich und eines der umfangreichsten E-Government-Vorhaben", sagt Grosinger. 6,5 Millionen Euro kostete die Umstellung, 900.000 Euro pro Jahr beträgt der Betriebsaufwand.

1,5 Millionen Schriftstücke weniger

Um rund 190.000 neue Einträge wird das Register jährlich anwachsen, der Hauptteil sind Geburts-, Eheschließungs- und Sterbeeinträge. Darüber hinaus werden auch Scheidungen, Adoptionen, Vaterschaftsanerkennungen, Geschlechtsumwandlungen oder namensrechtliche Änderungen dokumentiert.

500 bis 600 Zugriffe pro Minute muss das System in der Praxis ertragen können. Selbst Simulationen mit einer fünfmal höheren Belastung beeinträchtigten die Performanz nicht, erklärt der technische Projektleiter im Ministerium, Markus Blank.

Das ZPR soll der Verwaltung gegenüber der bisherigen Praxis viel Zeit sparen - und noch mehr Papier. Denn neun Meldungen muss ein Standesamt nach einer Heirat an Empfänger wie den Hauptverband, das Finanzamt, Gerichte oder die Statistik Austria übermitteln; bei Sterbefällen sind es sogar elf. Bisher erfolgten die Verständigungen zumeist auf dem traditionellen Postweg, und diese jährlichen 1,5 Millionen Schriftstücke fallen durch die automatisierte digitale Übermittlung in Zukunft weg.

Heirat kein bürokratischer Kraftakt mehr

Erleichterungen verspricht das Innenministerium auch den Bürgern. Wer heiraten wollte, musste bisher bis zu drei Standesämter aufsuchen: jene beiden, die die Geburtsurkunden der willigen Eheleute ausgestellt haben, und gegebenenfalls das des Trauungsortes. Künftig genügt der Besuch einer beliebigen Amtsstube mit Fernzugriff auf die zentrale Datenbank in den Serverräumlichkeiten in der Wiener Berggasse.

Die Originalpläne sahen sogar vor, dass sich Antragsteller den Gang auf das Amt gänzlich ersparen und die notwendigen Dokumente per Bürgerkarte oder Handysignatur schlicht selbst ausdrucken können. Diese Funktion ließ sich im aktuellen Zeitkorsett nicht mehr umsetzen, sagt Blank, ganz verworfen wurde sie aber nicht.

Hacker und korrupte Beamte

Eng verknüpft ist das neue System mit dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem ebenfalls neu geschaffenen Zentralen Staatsbürgerschaftsregister (ZSR). Dass ein derartige Datenansammlung Menschen mit unlauteren Beweggründen anziehen könnte, schließen die Experten des Innenministeriums nicht aus. Gegen Hackerangriffe sollen die Sicherheitsmechanismen greifen, die sich auch beim Schutz anderer staatlicher Datenbanken bewährt haben.

Doch Missbrauchsgefahr geht auch von korrupten Beamten aus, die ihre Zugriffsrechte kurzerhand zweckentfremden, wie der im Vorjahr aufgerollte Justizdatenprozess zeigte. Solche Fälle sollen eine vollständige Protokollierung aller Zugriffe und Stichprobenkontrollen verhindern.

Kurrentschrift, die zu entziffern Fachkenntnisse bedarf

Vorerst wurde das ZPR mit den Daten der aktuellen Bevölkerung gefüttert. Später sollen auch jene der bereits Verstorbenen hinzukommen. Das Einpflegen von Millionen weiterer Datensätze wird eine langwierige und wohl eintönige Tätigkeit, gibt Grosinger zu. Weil es aber sensible Daten sind und mitunter auch Einträge in Kurrentschrift entziffert werden müssen, sei das dennoch nicht unbedingt eine Aufgabe für Ferialpraktikanten. (Michael Matzenberger, derStandard.at, 29.10.2014)