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Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko (li.) und Premier Arsenij Jazenjuk am Rande einer Gedenkfeier für die im Zweiten Weltkrieg gefallenen Ukrainer. Den beiden Wahlsiegern stehen harte Gespräche bevor.

Foto: REUTERS/Gleb Garanich

Die Parlamentswahlen in der Ukraine warteten am Dienstagabend immer noch auf einen klaren Sieger. Nach Auszählung von 90 Prozent der Stimmen lag die "Volksfront" (Narodni Front) von Premier Arsenij Jazenjuk knapp vor der Präsidentenpartei. Den parteilosen Kandidaten könnte die Rolle des Königsmachers zukommen.

Poroschenko und Jazenjuk gingen am Dienstag ihren Amtspflichten nach und gedachten gemeinsam des 70. Jahrestages der Befreiung von den Nazis im Zweiten Weltkrieg. Offiziell hat sich Jazenjuk sonst seit dem Wahltag im Hintergrund gehalten. Er führt Geheim-Gespräche, vor allem mit den 110 Parlamentariern, die als Parteilose über Direktmandate in die Werchowna Rada eingezogen sind. Diese Gruppe ist denkbar heterogen. Sie setzt sich aus Geschäftsleuten, Soldaten der Freiwilligen-Bataillone, ehemaligen Ministern und Prominenten zusammen. Bisher sind Beobachter davon ausgegangen, dass sich der größte Teil dieser Abgeordneten der Regierungsfraktion anschließen wird.

Koalition mit dem Falken

Im Gegensatz zu Poroschenko, der als Präsident keinen direkten Einfluss auf die Parlamentarier gehabt hätte und als Geschäftsmann ähnliche Interessen verfolgt wie eine Reihe der Parteilosen, gilt Jazenjuk vielen als "Falke". Er hat einen harten Reformkurs angekündigt, der nicht unbedingt im Interesse der ukrainischen Unternehmen ist. Auch das verhältnismäßig schlechte Standing Jazenjuks in Russland lässt bei vielen dieser Abgeordnetengruppe Zweifel an einer Koalition aufkommen.

Lange Verhandlungen

Auch die Samopomitsch-Partei, die aus dem Stand mit elf Prozent drittstärkste Kraft geworden ist, geht erst einmal auf Distanz. Parteichef Andrej Sadowy, Bürgermeister der Stadt Lwiw (Lemberg), teilte Dienstag über Facebook mit, es gebe bisher keine offiziellen Gespräche. Er habe am Sonntagabend nur kurz mit Poroschenko und Jazenjuk gesprochen. Bevor man Verhandlungen beginnen könne, müsse die neue Fraktion erst zusammenkommen.

Am 10. November wird die Wahlkommission das offizielle Endergebnis mitteilen. Mit der konstituierenden Sitzung des Parlaments wird nicht vor Mitte November gerechnet. Derzeit würden die Narodni Front und der Block Poroschenko zusammen auf 190 von 423 Sitzen kommen. Doch Poroschenko strebt eine möglichst breite Koalition an. Mit einer solchen Mehrheit wären auch Verfassungsänderungen möglich. So sollen Reformen und die Dezentralisierung möglich werden.

Auch Timoschenko bleibt im Spiel

Der Politologe Volodymir Fesenko, Direktor am Penta-Zentrum für politische Studien, vermutet, dass Jazenjuk und Poroschenko derzeit auch mit der Radikalen Partei, die auf 7,4 Prozent kam, und der Vaterlandspartei der früheren Ministerpräsidentin Julia Timoschenko, die den Einzug ins Parlament mit 5,7 Prozent knapp erreichte, reden.

Die Nachfolgegruppe der ehemaligen Regierungspartei von Präsident Wiktor Janukowitsch, der Oppositionelle Block, ist mit 9,3 Prozent auf dem vierten Platz gelandet. Bisher schließt Parteichef Juri Boiko eine Regierungsbeteiligung vehement aus. Doch ein Rückblick auf Koalitionsverhandlungen zeigt, dass es in der ukrainischen Politik jederzeit zu Überraschungen kommen kann. (Nina Jeglinski aus Kiew, DER STANDARD, 29.10.2014)