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Firmen verkaufen Dossiers über Journalisten und Journalistinnen.
Wien - Die Empörung über den NSA-Skandal scheint bereits verebbt. Snowden? Nachricht von gestern. Vorratsdatenspeicherung? Ein sperriges Thema. Verschlüsselung? Zu kompliziert, um sie in wenigen Sätzen zu erklären. Und überhaupt: ICH habe ja sowieso nichts zu verbergen. Wenn der Kurt Kuch erzählt, er habe schon einige Wertkartentelefone im Donaukanal versenkt, das ist plausibel. Der ist schließlich ein Investigativjournalist. Aber wen sollen MEINE Daten schon interessieren?
Mehr als nur Fakten
Tatsächlich sind all unsere Daten von Interesse. Zum Beispiel für Firmen wie "NewsBios“. Wie kürzlich eine Reporterin der "New York Times" berichtete, verkauft die Firma Dossiers über Journalisten und Journalistinnen, etwa an PR-Abteilungen, die ihre Bosse auf Interviews vorbereiten, an Medienunternehmen, die Mitarbeiter suchen. Diese Dossiers enthalten Geburtsdatum, Kontaktdaten, Namen der Vorgesetzten und weit darüber hinausgehend Kompilationen von Informationen aus öffentlich zugänglichen Verzeichnissen, Auswertung der Social-Media-Profile und der Artikel - um mit Infos über politische Orientierung und private Interessen die Interviewten optimal vorzubereiten. Das reicht bis hin zu rufschädigenden Spekulationen über mögliche Motive und Gefühle der Beobachteten, wie die NYT-Reporterin mit Unbehagen berichtet.
Das sei „im Prinzip“ auch bei uns möglich, sagen die Datenschutz-Experten Matthias Spielkamp für Deutschland und Andreas Krisch für Österreich - auch wenn hier vorerst wohl kein Markt für solch detaillierte Journalisten-Dossiers vorhanden ist.
Watch out, journalists: Hackers are after you
Das klingt vergleichsweise harmlos, stehen Journalisten doch auch unter besonderer Beobachtung internationaler Geheimdienste. "21 der internationalen Top-25 Medienunternehmen wurden bereits von Hackern angegriffen", sagt Morgan Marquis-Boire, früher Top-Security-Researcher bei Google, jetzt Director for Security für First Look Media: "Die gezielten Attacken auf Journalisten wurden von Hackern gestartet, die für eine oder im Auftrag einer Regierung arbeiten.“
Da sind nicht nur Investigativjournalisten, sondern gesamte Redaktionen, ganze Verlage, ganze Sender im Visier. Noch bieten die wenigsten (Medien)Unternehmen die nötige strukturelle Unterstützung, mit der Journalisten individuell sicher via E-Mail, Mobiltelefon, Laptop, Browser recherchieren können. Das ist aber notwendig, um Informantenschutz und Redaktionsgeheimnis gewährleisten zu können.
Es stimmt schon: Nicht jeder Journalist muss selbst Security-Experte werden - die Verantwortung bleibt, zur Bewusstseinsbildung beizutragen. Um es mit Schriftstellerin Juli Zeh zu sagen: "Was ist schrecklicher: die Nachricht, dass die NSA vermutlich sämtliche an das Internet angeschlossenen Endgeräte kartografiert (...) oder die Tatsache, dass das niemanden richtig interessiert?“ (Daniela Kraus, derStandard.at, 29.10.2014)