Etwa eines von tausend Kindern weltweit kommt mit einem krankhaft verkleinerten Kopf zur Welt. Mit der Mikrozephalie ("Kleiner Kopf") können geringeres Gehirnvolumen und beeinträchtigte kognitive Fähigkeiten einhergehen. An der Medizinischen Universität Graz wurde in internationaler Kooperation ein weiteres Gen identifiziert, welches für die vererbbare Form der Erkrankung verantwortlich ist.

Mikrozephalie kann durch schädigende Einflüsse während der Schwangerschaft oder genetische Defekte entstehen: "Neben erblichen Formen kann eine Mikrozephalie auch etwa durch eine Rötelinfektion der Mutter während der Schwangerschaft, erhöhte Strahlenbelastung vor der Geburt oder auch Alkoholkonsum der Schwangeren verursacht werden", erklärte Christian Windpassinger vom Institut für Humangenetik der Med-Uni Graz.

Laut Mitteilung der Med-Uni Graz entdeckte er gemeinsam mit Kollegen aus der Schweiz, Pakistan, Kanada und Deutschland eine Genmutation als bisher unbekannte Ursache der vererbbaren Krankheitsform, der sogenannten primären Mikrozephalie (MCPH). Die Ergenisse wurden im Journal "Human Molecular Genetics" veröffentlicht.

Eltern wissen nichts vom Risiko

Wird die Krankheit autosomal rezessiv vererbt, sind die Eltern Anlageträger, aber gesund. Sie wissen oft gar nichts davon, dass sie diesen Gendefekt in sich tragen. Treffen je ein mutiertes Gen von Vater und Mutter aufeinander, kann es bei den Kindern zum Ausbruch kommen: Ihr Gehirnvolumen bleibt um etwa zwei Drittel reduziert. Durch den Verlust von Neuronen bei der Entwicklung des Gehirns sind diese Patienten geistig unterentwickelt, oft auch motorisch beeinträchtigt.

Die Forscher haben zuerst anhand einer fünf Generationen umfassenden, großen Familie aus Pakistan die Lokalisation des Krankheitsgens auf das Chromosom 1 eingegrenzt: "Es ist das größte der 23 menschlichen Chromosomenpaare und enthält etwa acht Prozent der gesamten DNA einer menschlichen Zelle", schilderte Windpassinger die Herausforderung.

Durch den Einsatz von "Next-Generation-Sequencing" - eine Technik, die es ermöglicht im Hochdurchsatz das Erbgut von betroffenen Patienten zu entziffern, gelang es dann den Forschern, eine von beiden Elternteilen vererbte Mutation zu identifizieren. Sie bewirkt einen Aminosäureaustausch in einer früh im Evolutionsprozess entstandenen Domäne des HsSAS-6 Proteins.

Problem bei der Zellteilung

HsSAS-6 ist wie die meisten der zwölf bisher bekannten Gene im Zusammenhang mit primärer Mikrozephalie direkt am Aufbau und an der Funktion der Zentriolen (zylinderförmig aufgebaute Zellstrukturen) beteiligt. Diese übernehmen eine wichtige Aufgabe im korrekten Ablauf der Zellteilung, schilderte Windpassinger.

Während der embryonalen Ausbildung von Nervenzellen sei v. a. die symmetrische Zellteilung von großer Bedeutung, damit ein ausreichend großen Pool an neuronalen Stammzellen entstehen kann. Diese Stammzellen entwickeln sich in weiterer Folge zu den Nervenzellen. Die Forscher gehen nun davon aus, dass die neu entdeckte Genmutation diesen Vorgang empfindlich stört, indem es zu einer verfrühten Ausdifferenzierung von Neuronen kommt. (APA, derStandard.at, 29.10.2014)