Wien - Der große Unbekannte spielt in Strafprozessen eher selten eine Rolle. Nicht so im Betrugsverfahren gegen Mustapha O., der zwischen 2011 und 2013 einen Schaden von rund 115.000 Euro angerichtet haben soll. Dem Schöffensenat unter Vorsitz von Gerald Wagner erklärt der 40-Jährige, er sitze völlig zu Unrecht hier, der wahre Täter laufe noch frei herum.

Es geht um einen gewissen Herrn Toni Bakul, bei dem der vorbestrafte Angeklagte als Verkaufsleiter gearbeitet haben will. Ein Job, der durchaus zu dem großgewachsenen Mann passt – mit Gel im lockigen Haar, graumeliertem Vollbart, feinem Anzug und umgeben von einer Wolke Eau de Toilette sitzt er hier.

Das kleine Problem: Nur O. selbst will mit Bakul ständig zu tun gehabt haben. Drei der vier Mitarbeiterinnen in dem Büro sagen aus, überhaupt nie wen außer dem Angeklagten dort gesehen zu haben.

Gefälschter Reisepass

Die vierte Frau beschreibt, so wie der Angeklagte, Mister X als kleinen und korpulenten Herrn, dem sie aber nie vorgestellt worden sei. Ein paar Mal habe sie ihn gesehen – dass es Bakul sei, wisse sie nur aufgrund eines Reisepasses. Der aber, wie man mittlerweile weiß, eine Totalfälschung ist.

O. hat jedenfalls für Bakul einen BMW X5 bestellt und einen Mercedes als Firmenwagen für sich selbst, sagt er dem Vorsitzenden Wagner. Bezahlt wurden die Fahrzeuge nie, geliefert schon. Während er eine Ersatzfreiheitsstrafe für eine Steuersache absaß. Und als er aus dem Gefängnis kam, seien Büro und Bakul weg gewesen.

Seltsam nur, dass O. bei einer Polizeikontrolle in dem Mercedes angehalten wurde. Und sich in diesem gefälschte Dokumente, darunter ein Führerschein, befanden.

Dass er bei der Anhaltung weglaufen wollte, bestreitet er. "Dann werde ich die Polizisten von damals auch fragen müssen. Das ist dann nämlich ein Amtsmissbrauch, wenn die das schreiben", merkt Wagner an.

Bewaffnete Tschetschenen

Auch der BMW tauchte im August 2013 wieder auf: Drinnen saßen bewaffnete Tschetschenen. O. schiebt im Prinzip, unterstützt von Verteidiger Philipp Wolm, alles auf einen Geschäftspartner von Bakul. Der habe den X5 schwarz weiterverkauft, und dem habe auch der Mercedes gehört.

Suboptimal für den Angeklagten ist allerdings, dass die Staatsanwaltschaft weitere Vorwürfe hat. So soll er sich eine Woche in einem Hotel unter falschem Namen eingemietet haben. Und geflohen sein, nachdem er mit einer Kreditkarten mit wiederum anderem Namen bezahlen wollte.

O. erklärt das so: "Ich bin von Linz nach Wien gefahren, ein Freund hat angerufen und angeboten, dass er das Zimmer reserviert." – "Wie heißt denn der Freund?", fragt der Vorsitzende. "Michael." – "Und, hat er auch einen Nachnamen?" Hat er ziemlich sicher, der Angeklagte weiß ihn nur leider nicht.

Pflegeheim in Kloster

"Sagt Ihnen die Adresse Maierhöfen 2 in Maria Anzbach etwas?", will Wagner weiter wissen. Die wurde nämlich im Hotel angegeben. "Ja, dort ist ein Lager von Michael", behauptet der Angeklagte. "Nein, das ist ein Pflegeheim in einem ehemaligen Kloster", klärt ihn der Vorsitzende auf.

Interessanterweise spielt die 2.800-Einwohner-Gemeinde im Wienerwald auch bei einem weiteren angeklagten Vorfall eine Rolle. O. soll für eine weitere Firma Computerausrüstung bestellt haben – die ebenso nie bezahlt wurde. In diesem Zusammenhang soll er erwähnt haben, es gebe in Maria Anzbach eine zweite Niederlassung. "Das war nur ein Plan für die Zukunft", vermutet er nun ein Missverständnis.

Noch ein Punkt macht Vorsitzenden Wagner misstrauisch: O. ist seit dem Jahr 2007 in Österreich nicht mehr gemeldet – in der letzten verfügbaren Auskunft steht, er sei nach Kanada verzogen. Die Erklärung des Angeklagten: Im Büro sei so viel Stress gewesen, er habe den Gang zum Amt nicht geschafft.

Zur Ladung weiterer Zeugen wird schließlich vertagt. (Michael Möseneder, derStandard.at, 29.10.2014)