Traumverloren und tatkräftig: Saga Becker als hartnäckig liebender Sebastian im schwedischen Melo "Something Must Break".

Foto: Viennale

Die Liebe, so eine romantische Vorstellung, offenbart sich dem an sie Glaubenden mitunter in einem Schlag: Sebbe, ein schmaler Junge um die zwanzig, wird eines Tages in Stockholm Opfer eines Übergriffs auf einer öffentlichen Toilette. Da wirft sich ein gleichaltriger Fremder für ihn ins Handgemenge und kann ihn retten. Das blutige Taschentuch des Unbekannten nimmt Sebbe wie eine Reliquie mit nach Hause.

Sebbe, der sein rot und schwarz gefärbtes Haar lang trägt und sich in einer Weise kleidet und gibt, die man allgemein als feminin konnotiert, nennt sich auch Ellie und wohnt mit Lea zusammen. Tagsüber jobbt er im Lager eines Baumarkts. Am Wochenende zieht er um die Häuser, tanzt, hat Sex, trinkt, trifft dabei den fremden Retter wieder und beginnt, um ihn zu werben. Andreas (Iggy Malmborg) lässt sich darauf ein. Eine Liebesgeschichte nimmt ihren Lauf, die immer auch eine Geschichte von Annäherung und Zurückweisung bleibt.

Die Ambivalenz der Identitäten bleibt ein Dreh- und Angelpunkt. Dabei ist Sebbe - eine Figur, die Leinwanddebütant Saga Becker nicht nur nuanciert verkörpert, sondern auch mitgestaltet hat - bei aller Weigerung, sich eindeutig geschlechtskonform zu geben, in seiner Liebe ganz klar und selbstverständlich. Andreas, der sich mit Jeans und Lederjacke starke Attribute von rebellischer Männlichkeit anlegt, ist dagegen unentschlossen, unsicher, aber trotzdem dabei. "Ich bin nicht schwul", sagt er. "Ich auch nicht", sagt Sebbe/Ellie.

Preisgekröntes Debüt

Der Schwede Ester Martin Bergsmark, Jahrgang 1982, ist bereits mit einigen Dokumentar- und Kurzfilmen aufgefallen - unter anderem hat er seine eigene Zwischenidentität als Transsexueller 2012 in She Male Snails / Pojktanten thematisiert. Sein Langspielfilmdebüt Nånting måste gå sönder / Something Must Break stellte Bergsmark zu Anfang dieses Jahres im Wettbewerb des Filmfestivals Rotterdam vor - und wurde dort umgehend mit einem Tiger Award gewürdigt. Auch beim Festival in Göteborg machte er mit dieser atmosphärisch dichten, eigenwilligen Liebesgeschichte Furore.

Gleich zu Beginn leuchtet eine Rose satt und erblüht im Zeitraffer. Something Must Break arbeitet mit verführerischer, melodramatisch überhöhter Ikonografie; schon der Name Sebastian verweist auf einen Schmerzensmann. Sebbe scheint einige Lust aus der Identifikation damit zu ziehen. Die selbstzerstörerische Komponente, die dazu gehört, tritt manchmal gefährlich in den Vordergrund: "Sei vorsichtig, Sebbe", sagt Lea (Shima Niavarani). Andererseits entwickelt der Hang zum Maßlosen einen Sog, dem man sich als Zuschauer - genauso wie Andreas - schwer entziehen kann.

Bergsmark hält immer wieder Momente per Zeitlupe in Schwebe, verstärkt auf diese Weise, genauso wie mit Handkameraaufnahmen, das Traumverlorene von Sebbes Charakter. Andererseits weitet er immer wieder das Bild hin auf Milieus und Schauplätze, die sich einprägen (die jugendlichen Drifter, die an öffentlichen Plätzen trinken; die Clubs und die treibende Musik; Andreas' vermülltes Zimmer, das Sebbe immer wieder durchs Fenster betritt; die Gstättn, durch die Sebbe und Andreas streifen).

Something Must Break hat dann mehr den Gestus eines sozialrealistischen Dramas. Das Changieren und in der Schwebe halten ist aber in jeder Hinsicht und auf die schönste Weise das Charakteristikum dieses Films. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 30.10.2014)