Lebensmittel ohne Verpackung: Die gibt es im Berliner "original unverpackt" - und in der Wiener Maß-Greißlerei (Bild).

Foto: Teresa Timler

Tja, wo ist jetzt der gerebelte Majoran? Susanne schaut ein wenig ratlos auf die wuchtigen Regale. Auf diesen reiht sich Glasbehälter an Glasbehälter. Ah hier ist er. Nein, doch nicht, das ist der Oregano. "Grundsätzlich gefällt mir dieses System hier ja sehr gut", sagt die 34-jährige Berlinerin, "aber anfangs ist es ein bisschen mühsam, sich zurechtzufinden."

Sie steht mit einigen anderen Kunden in der Wiener Straße in Berlin-Kreuzberg. Dort gibt es seit kurzem einen Supermarkt, der es bereits zu einiger Bekanntheit gebracht hat. "original unverpackt" heißt er, und damit ist auch das Konzept schon klar.

Kein erschlagendes Warenangebot

Egal ob Reis, Nüsse, Mais, Gummibären, Nudeln, Hirse, Mehl oder eben Majoran - was man hier erwirbt, gibt es ohne Verpackung. Wobei die Bezeichnung "Supermarkt" für den Laden etwas zu hochgegriffen ist. Er sieht eher aus wie eine große Greißlerei. Es ist auch nicht so, dass einen das Warenangebot zu erschlagen droht.

Weniger ist hier mehr, das gilt nicht nur für die Verpackung. Aber es ist alles zu finden, was man an Grundversorgung braucht, auch Haarshampoo und Duschgel, das in großen silbrig-glänzenden Gefäßen auf Kundschaft wartet.

Cornflakes im großen, durchsichtigen Behälter

Oder etwa Cornflakes. Kauft man diese im normalen Supermarkt, dann sind sie gleich doppelt verpackt: zuerst in einem Plastiksack, der noch einmal in einem Karton steckt. In Berlin-Kreuzberg bekommt man sie pur. Wie auch Reis oder Nüsse befinden sich die Cornflakes in großen durchsichtigen Behältern an der Wand. Jeder kann selbst hingehen und seine Menge nehmen.

Erfahrene Kunden wie Jan, der gleich um die Ecke wohnt, sind schon routiniert. Jan hat für den Reis eine rosarote Plastikdose mitgebracht. Diese wiegt er zunächst an der Waage ab, damit er später nicht das Gewicht der Dose mitbezahlt. Das funktioniert wie im Erdbeerland, wo man vor dem Pflücken am Feld ja auch den Behälter abwiegen lässt.

"Eigentlich ist alles erlaubt"

"Uns ist egal, welche Behälter die Kunden mitbringen, da ist eigentlich alles erlaubt", sagt einer der beiden Verkäufer, die hinter dem Ladentisch stehen und die Waren entgegennehmen. Es wird auch auf Schildern darauf hingewiesen, dass man die Lebensmittel nicht in Behältnisse füllen soll, in denen sich zuvor Putzmittel befanden. Aber auf diese Idee wäre auch ohne den Hinweis vermutlich keiner gekommen. Wer ohne eigenes Gefäß zu "original unverpackt" kommt, muss auch nicht mit leeren Händen nach Hause gehen, es gibt Dosen zu kaufen.

"Einkaufen ohne Verpackung, das kann eine Massenbewegung werden", sagt Milena Glimbovski selbstbewusst. Sie hat gemeinsam mit Sara Wolf den Laden gegründet. Die Idee kam den beiden jungen Frauen, als sie mitsammen kochten und sich danach über den vielen Verpackungsmüll ärgerten.

Geld per Crowdfunding

Also entwickelten sie einen Businessplan für ein alternatives Geschäft und sammelten Geld per Crowdfunding. 20.000 Euro waren nötig, und diese hatten sie schon nach wenigen Stunden beisammen. Nach Ende der Frist von 40 Tagen waren sogar 115.000 Euro an Startkapital verfügbar. Der Laden in Kreuzberg soll nur der Anfang sein, jetzt wird ein Franchisesystem für andere Städte entwickelt. (Birgit Baumann, DER STANDARD, 30.10.2014)