Hannes Kartnig ist wieder einmal angespeist. Jetzt kann er nicht einmal mehr standesgemäß abendessen gehen - noch dazu an seinem 63. Geburtstag -, ohne gleich wieder von Neidern vernadert zu werden.

Gut, es war das Hyatt in Wien, aber nach einem Geschäftstermin war ihm eben danach, mit der Frau im noblichen Restaurant gut zu essen. "Darf ich das nicht, muss ich verhungern?", fragte der Grazer Plakatunternehmer verärgert, der als Präsident des Fußballklubs Sturm Graz glamouröse Zeiten samt Meistertitel und Champions-League-Teilnahme in vollen Zügen genossen hatte. Zeiten, die den kleinen Grazer Sonnenkönig aber letztlich wegen der Vorwürfe des schweren Betrugs, Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen sowie Steuerhinterziehung vor Gericht brachten.

Das Höchstgericht hatte 15 Monate unbedingt und 5,5 Millionen Euro Geldstrafe festgesetzt - und ihm das Tragen einer Fußfessel erlaubt. Aber kaum umgeschnallt, waren sie schon wieder da, die Neider, von denen er sich ständig umgeben wähnt. "Auch wenn er nur durch die Grazer Herrengasse geht, rufen schon dutzende Passanten in der Justiz an, um sich zu beschweren, dass Kartnig auf freiem Fuß ist", klagte auch sein Anwalt.

Kartnig ist ein Meister der Täter-Opfer-Umkehr, er fühlt sich stets einer Öffentlichkeit ausgeliefert - die er aber selbst ständig mit seinen Eskapaden füttert. Er versteht es, diesen Opfermythos auch zu inszenieren und immer weiter auszureizen. Auf seinen Geschäftsreisen, die ihm mit Fußfessel erlaubt wurden, schaute er auch beim Ländermatch vorbei oder ging in der Oper. Kritik daran wischte er weg: Neidgenossenschaft.

Das zelebrierte er auch schon vor Gericht, wo er die Opferrolle als Entertainer und Volksschauspieler ausbaute. Da spielte er überzeugend-charmant die Rolle des Schlaucherls, das zu Reichtum gekommen ist. Auch danach ging die Show weiter. Selbst die Fußfessel ließ er im Boulevard ablichten und scherzte, der Hausarrest sei so streng, dass er nicht einmal in die Nähe seines Pools dürfe.

Den wird er jetzt auch nicht mehr sehen, nachdem wegen seiner eigenwilligen Interpretation der Fußfesselkultur der Hausarrest widerrufen wurde. Nun hat der vom Luxus Verwöhnte Zeit, sich in der Zelle einem Geschenk eines Freundes zu widmen: dem Gesamtwerk des Philosophen Seneca. Irgendwo darin wird er den Satz finden: "Den größten Reichtum hat, wer arm an Begierden ist." (Walter Müller, DER STANDARD, 30.10.2014)