Anita Sarkeesian erneuert im "Colbert Report" ihre Kritik an der Gamergate-Bewegung

Foto: Comedy Central

Gestartet mit dem Credo, für mehr Ethik im Games-Journalismus einzutreten, steht die Gamergate-Bewegung mittlerweile wegen wüsten Drohungen und Angriffen gegen Frauen aus der Spielebranche in der öffentlichen Kritik. Zu ihren wahrnehmbarsten Gegnerinnen zählt die Videospiel-Feministing Anita Sarkeesian, die sich auch selbst schon massiven Anfeindungen ausgesetzt sah.

Das Thema hat auch amerikanische Mainstream-Medien erreicht, wie unter anderem ein Auftritt von Sarkeesian in der bekannten Talkshow "Colbert Report" zeigt. Dort äußert die Macherin der "Feminist Frequency"-Kommentarreihe weitere Kritik an Gamergate.

"Traditionelle Gamer-Lebensweise"

Auch Gastgeber Stephen Colbert nimmt die Bewegung auf die Schaufel. So witzelt er unter anderem über die Aussagen von Gamergate-Unterstützern, feministische Spielekritik würde ihre "traditionelle Gamer-Lebensweise" zerstören. Gott habe diese wohl in der Bibel klar festgelegt, das sei klar in der Sega Genesis nachzulesen, spielt der Talker auf den Namen der mittlerweile 16 Jahre alten Heimkonsole an.

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"Frauen werden bedrängt, bedroht und terrorisiert", erklärt sie auf die Frage, was sich gerade abspielt. Dazu wiederholt sie auch Kritik an vielen Spielen, in denen weibliche Charaktere vorwiegend große Brüste besitzen und in extrem knappen Rüstungen unterwegs sind. "Das verstärkt den gesellschaftlichen Mythos, dass Frauen sexuelle Objekte, Spielzeuge zur männlichen Unterhaltung seien".

Deutlichen Zuspruch erhält Sarkeesian vom Publikum für die Aussage, Frauen, die in Spielen in klassische Opferrollen wie die der entführten Prinzessin geraten, sollten sich selber retten können, statt ständig eines männlichen Helden zu bedürfen.

"Sie schlagen um sich, weil wir den Status Quo infrage stellen"

Colbert fragt auch nach, wieso sich die massiven Drohungen aus der Gamergate-Bewegung fast ausschließlich gegen weibliche Kritiker richten. "Ich glaube, Frauen werden als bedrohlicher wahrgenommen, weil wir fordern, dass Spiele inklusiver werden", äußert Sarkeesian ihre Einschätzung. "Gamergate reagiert darauf, dass wir sagen, dass Gaming nicht mehr ein reiner 'Buben-Club' sein kann. Sie schlagen um sich, weil wir den Status Quo infrage stellen."

Letztes Zucken

Doch diese Rundumschläge sind mittlerweile mehr als letztes Zucken zu interpretieren., heißt es mittlerweile in den Fachmedien. "Gamergate ist tot", titelt The Verge-Redakteur Chris Plante. Und gerade jene Aufmerksamkeit, nach welcher die Bewegung verlangte, so das Argument, führte schließlich zu ihrem Ende. Denn in der öffentlichen Meinung war schnell klar, dass das vorgegebene Bemühen um mehr Ethik im Spielejournalismus bestenfalls von einer Minderheit tatsächlich verfolgt wurde.

Ungleiche Verteilung

Zahlen dazu liefert nun Newsweek, wo man die Social Media-Analysten von Brandwatch damit beauftragt hat, über zwei Millionen Tweets zum Thema Gamergate auszuwerten. Ausgangspunkt der Bewegung war eine Beziehung zwischen Spieleentwicklerin Zoe Quinn und dem Spielejournalisten Nathan Grayson. Diese soll zur Folge gehabt haben, dass Grayson vorteilhaft über Quinns Spiel "Depression Quest" schrieb. Dabei hatte Grayson lediglich einmal in einem Artikel über Quinn geschrieben, jedoch nicht im Bezug auf dieses Spiel und außerdem vor Beginn der Beziehung.

Ungeachtet der Tatsachen entlud sich der Ärger der Gamergate-Bewegung an den beiden Beteiligten - jedoch höchst ungleichmäßig. Seit 1. September hatte Quinn 10.400 Nachrichten unter dem Gamergate-Hashtag erhalten, Grayson lediglich 732.

Nachrichtenflut über Wu und Sarkeesian

Geradezu überflutet mit Nachrichten wurden die Entwicklerin Brianna Wu (rund 39.000) und Sarkeesian (35.000), mehr als alle analysierten Accounts von Spielejournalisten zusammen. Keine der beiden wurden ethische Verstöße im Hinblick auf die Beziehungen zwischen Spielepresse und Entwicklerfirmen zur Last gelegt. Überhaupt erreichte die große Mehrheit an Nachrichten Entwicklerinnen und nicht Journalisten, was doch mehr als eigenartig wirkt.

Chance auf Neustart

Der Wunsch nach sauberer journalistischer Arbeit über Videogames bleibt natürlich abseits von Gamergate aufrecht. Mit dem Untergang einer verbal gewalttätigen und als misogyn geouteten Gruppierung ergibt sich für dieses Anliegen vielleicht die Chance auf einen organisierten Neustart ohne den sexistischen Radaubrüdern, die Angst um ihre Domäne haben.

Andernfalls steht zu befürchten, dass die Videospiel-Community in ihrer Gesamtheit langfristig Schaden davon trägt. Denn mittlerweile hat man es mit Negativ-Schlagzeilen auf die Titelseite der New York Times geschafft, wie Eurogamer berichtet. "Organisierte Angriffe und Massenmord-Drohungen", schreibt dort Oli Welsh, "das ist das Vermächtnis von Gamergate." (gpi, derStandard.at, 31.10.2014)