Jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich." Leo Tolstois berühmter Satz aus Anna Karenina lässt sich auch auf Trennungen übertragen: Nach jeder zerbrochenen Beziehung ist die Situation der betroffenen Kinder etwas anders. Einmal teilen sich die Eltern die Obsorge reibungslos, dann wieder nur mit Spannungen. Manchmal braucht es präzise Auflagen der Gerichte, damit ein Kind den Kontakt zu beiden Eltern halten kann. Allzu oft hilft nicht einmal das.
Die Familiengerichte haben sich auf diese Vielfalt eingestellt und beurteilen jeden Fall sui generis. Und sie fordern vom Gesetzgeber mehr Freiheit, wie sie zuletzt durch die Option der gemeinsamen Obsorge geschaffen wurde.
Nun greift ein Urteil eine weitere Schranke offen an - und dies zu Recht. Natürlich ist es meist vorteilhaft, wenn ein Kind einen Hauptwohnsitz hat. Aber dies gesetzlich vorzuschreiben, wenn immer mehr Kinder gleichermaßen an zwei Plätzen wohnen, stellt abstrakte Wunschvorstellungen und finanzielle Überlegungen vor das konkrete Kindeswohl. Aus dieser Überlegung heraus nimmt sich das Gericht die Freiheit, den Gesetzeswortlaut zu ignorieren.
Die SPÖ und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek sollten dieser Vorgabe folgen und nicht auf dem Zwang zum "Heim erster Ordnung" bestehen. Es existieren heute zu viele verschiedene Formen des Patchworks, als dass sich alle in ideologische Schablonen pressen lassen. (Eric Frey, DER STANDARD, 31.10.2014)