In dem Artikel Braune Seiten des Bergpoeten von Gerald Lehner im STANDARD vom 28. Oktober wird die herausragende Persönlichkeit Herbert Tichy in unqualifizierter Weise herabgewürdigt. Der Autor bezieht sich dabei auf eine "Studie" der Universität Wien und auf den Geografen und Historiker Stanik. Vor fünf Jahren hat der Student Stanik eine Diplomarbeit zur Erlangung des Magisters der Philosophie mit dem Titel Der geopolitische Blick in den journalistischen Arbeiten von Herbert Tichy 1940–1944 geschrieben, die Unterlagen dafür stammen großteils aus der Akademie der Wissenschaften in Wien. So weit die "Studie" zu dem Thema.

Spekulativ formuliert

Wie schlampig der Artikel recherchiert ist, zeigt sich exemplarisch an der Behauptung, Herbert Tichy sei bereits 1932 Mitglied der NSDAP gewesen. Hätte der Autor die in vielen Teilen höchst spekulativ formulierte Diplomarbeit von Stanik etwas genauer durchgearbeitet, so hätte er selbst dort lesen können, dass Tichy "während dieser Alaskareise (1938/39) versuchte (...) eine Parteimitgliedschaft seit 1932 legitimieren zu lassen. Diesbezüglich ließ er seinen Vater, Dr. Hans Tichy, einen auf den 14. Juni 1938 datierten 'Personal-Fragebogen zum Antragschein auf Ausstellung einer vorläufigen Mitgliedskarte und zur Feststellung der Mitgliedschaft im Lande Österreich' ausfüllen." (Stanik 2009, Seite 39)

1941 wird Tichy als Berichterstatter für Europa nach Siam eingeladen, daraus werden kriegsbedingt sieben Jahre, die er in China, Indonesien, Thailand und der Mandschurei verbringt. Er verdient sich sein kärgliches Brot als Journalist für deutsche Zeitungen, was eine Mitgliedschaft bei der Reichsschrifttumskammer und der NSDAP zwingend erforderte.

Dazu Tichy: "Ich war froh, dass Peking den großen Ereignissen der Welt ihre Kraft und Bedeutung nahm, denn sie besaßen weder Schönheit noch Hoffnung. Ich war sehr glücklich in dieser Stadt."

Die "guten" Deutschen

Über das Leben der "Deutschen" in Peking berichtet Tichy, dass das Leben nicht leicht gewesen sei, wenn man keine hohe Meinung vom "Tausendjährigen Reich" hatte. Die Gestapo besaß im japanisch besetzten China eine gewisse Machtfülle und Unabhängigkeit. Besonders im Deutschen Klub musste man Begeisterung für das Reich und Japan zeigen. Tichy schreibt dazu: "Die 'guten' Deutschen hatten sich beim deutschen Botschafter beschwert, dass wir an der Volksgemeinschaft zu wenig Anteil nähmen." Tichy fand eine Entschuldigung. "Der Botschafter lächelte verständnisvoll, wahrscheinlich waren wir ihm sympathisch, aber das durfte er nicht laut sagen."

Tichys Freundschaft mit Sven Hedin bezieht sich auf dessen Forschungsreisen zum Kailash und zum Manasarowar-See, von politischen Verbindungen keine Rede (Tichy: Zum heiligsten Berg der Welt)

Kein "Berghippie"

Tichy als "Berghippie" zu bezeichnen, der "sich als 8000er-Erstbesteiger präsentiert", ist einfach nur dümmlich. Bekanntlich hat er den Cho Oyu mit bescheidensten Mitteln erstbestiegen, was ihm weltweit Anerkennung gebracht hat (Tichy: Cho Oyu, Gnade der Götter).

Das Interesse des humanistisch gebildeten, feinsinnigen und humorvollen Herbert Tichy galt fremden Ländern und Kulturen und den dort lebenden Menschen, über die er nie wertend oder gar abwertend berichtet hat. Eine Nähe zum Nationalsozialismus findet sich in keinem seiner Bücher.

Es ist ja in Österreich ein gewisser Volkssport geworden, Persönlichkeiten, die in der NS-Zeit unter unvorstellbaren Bedingungen gelebt und gearbeitet haben, aus heutiger Sicht besserwisserisch zu verurteilen. Besonders leicht ist das bei Personen, die nicht mehr leben und keine Stellung beziehen können. Von einem Journalisten, der in einer österreichischen Tageszeitung berichtet, wäre allerdings ein wertfreier Beitrag zu erwarten. Vielleicht sollte Herr Lehner einmal ein Buch von Tichy lesen. (Herwig Frisch, Hannes Pflaum, Verena Kienast, DER STANDARD, 31.10.2014)