Das Museumskonzept soll speziell auch junge Menschen ansprechen

Foto: voestalpine Stahlwelt GmbH

Ankommende Zwangsarbeiterinnen auf dem Weg ins Wohnlager 44 der Hermann Göring Werke in Niedernhart.

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Ein Teil der 1998 gefunden ingesamt 38.000 NS-Personalakten und -Lohnbögen

Foto: voestalpine stahlwelt gmbh

Linz - Das im Boden eingelassene, gemauerte Relief bremst den Besucher gleich nahe dem Eingangsbereich ein. Die Hektik des Alltags weicht der nötigen Ruhe - lässt Ehrfurcht und Respekt vor jenen tausenden Menschen aufkommen, die unter diesem steinernen Symbol unfassbares Leid erfahren haben. Es ist das Original-Symbol der "Reichswerke Hermann Göring" und befand sich bis zum Jahr 2007 als gemauertes Relief an der Wand eines Backsteingebäudes am Linzer Werksgelände der voestalpine.

Ab kommenden Montag, 3. November, hat das braune "Logo" als Ausgangspunkt einer neuen Dauerausstellung, die die Rolle von Zwangsarbeitern beim Aufbau und Betrieb der damaligen Hermann-Göring-Werke behandelt, im "Blauen Turm", der Konzernzentrale der voestalpine, eine zentrale Bedeutung: Es steht gleichermaßen für die NS-Wirtschaftspolitik und die Rolle der Zwangsarbeit im NS-Regime.

"Dauerhafter Respekt"

Entgegen dem Konzernmotto "one step ahead" hat die voestalpine nun einen Schritt zurück gewagt und unter wissenschaftlicher Leitung des Historikers Oliver Rathkolb Licht auf das wohl dunkelste Kapitel der Firmengeschichte gebracht. "Gedenken alleine ist zu wenig, nur wenn wir Lehren aus der Geschichte ziehen, bleibt sie lebendig. Und zur geschichtlichen Wahrheit gibt es keine Alternative. Eine Dauerausstellung bedeutet dauerhaften Respekt, betonte Wolfgang Eder, Generaldirektor der voestalpine, am Freitag anlässlich der Eröffnung.

Das informative und tief berührende Konzept der Ausstellung hat eigentlich eine zehnjährige Vorlaufzeit. 1998 wurden im Keller eines ehemaligen Flakturms mehr als 30.000 Personal- und Lohnakten von "ausländischen Arbeitskräften" gefunden - sowohl Fremd- als auch Zwangsarbeitern, die bis 1945 in den verschiedenen Unternehmensteilen der Hermann-Göring-Werke in Linz eingesetzt waren. Der größte Nachkriegsfund Österreichs warf ein völlig neues Licht auf die menschenverachtende Geschichte der Zwangsarbeit in Linz und bildete die Grundlage für ein Forschungsprojekt zur Konzerngeschichte. Ein Wissenschafterteam unter der Leitung von Rathkolb beschäftigte sich zwei Jahre lang mit der Aufarbeitung der Aufzeichnungen, die von Menschen und ihren Schicksalen von 1938 bis 1945 zeugen. Die Ergebnisse wurden 2001 in einer zweibändigen Publikation veröffentlicht und sind heute die Grundlage für die Ausstellung.

Zwangsarbeiter aus 30 Nationen

Die Schau spannt den chronologischen Bogen vom Aufbau der Hermann-Göring-Werke als Tochtergesellschaft der Reichswerke Hermann Göring AG Berlin über die Rolle des Eisen- und Stahlwerks als wesentlicher Bestandteil der nationalsozialistischen Rüstungsindustrie bis hin zur Situation von Opfern und Tätern nach 1945. Mittels multimedialer Stationen, Audiodokumenten und Bildmaterial wird auf einer Fläche von 350 Quadratmetern der Lebens- und Leidensweg zigtausender ausländischer Zwangsarbeiter skizziert: Frauen und Männer, Jugendliche und Kinder aus mehr als 30 Nationen. Neben der Systematik der NS-Zwangsarbeit thematisiert die Ausstellung auch die Rekrutierung ausländischer Arbeitskräfte, Facetten und Instrumente der Willkür und Unterdrückung sowie Einzelschicksale. (Markus Rohrhofer, derStandard.at, 31.10.2014)