Wie die Finnen funken, zeigen diese Organigramme.

Foto: yle.fi
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München/Helsinki/Wien - Noch sind die hunderten TV-, Radio- und Online-Journalisten des Gebührenfunks auf drei Standorte in der Millionenstadt verteilt. Sie werden in einem neuen Newscenter am Rande der Stadt multimedial zusammenarbeiten müssen. Aber noch bevor das Center entworfen ist oder gar der Spaten für den Neubau ins Erdreich getrieben, vom Senderchef und vom Bürgermeister und wer sonst noch für derlei symbolische Erdarbeiten zuständig zeichnet; bevor die hunderten Journalisten Tisch an Tisch all diese Medien bespielen, haben sie schon einen zentralen Chef: einen gemeinsamen Infodirektor für Radio, Fernsehen, Online. Beim Bayerischen Rundfunk.

Ein Newscenter mit Akzent

Noch reger als gewohnt tauschen sich derzeit der ORF und der Bayerische Rundfunk aus: Beide funken öffentlich-rechtlich organisiert, beide unter entsprechend großem Interesse der örtlichen Politik; beide finanzieren sich überwiegend aus Gebühren, sie sind etwa gleich groß, und sie stehen gerade beide vor einer sehr ähnlichen Aufgabe: bisher getrennt arbeitende Redaktionen für Fernsehen, Radio, Internet zusammenzuführen in einem multimedialen Newscenter.

Bei den Bayern heißt dieses Newscenter etwas sperrig "Aktualitätenzentrum", kurz "AkZent". So nennt man in Wien Veranstaltungshallen der Arbeiterkammer.

Regierungssprecher als Intendant

In Bayern geht man beim Zentralisieren gerade etwas forscher ans Werk als in Wien. Aber in München kann auch der Regierungssprecher direkt aus dem deutschen Bundeskanzleramt an die Spitze des Bayerischen Rundfunks bestellt werden. In Österreich wurde schon ein Kanzlersekretär gleich ORF-Generalsekretär, aber erst nach einem Ausflug ins Privatfernsehen ORF-General (Gerhard Zeiler). Aber das war vor zwei, drei Jahrzehnten; inzwischen erschweren Politikerklauseln im ORF-Gesetz so nahtlosen Wechsel ins ORF-Management doch deutlich.

Ruckzuck ein Infodirektor über alle Medien

Der Exkanzlersprecher setzte als Bayerischer Rundfunkintendant vor wenigen Monaten ziemlich ruckzuck einen neuen Informationsdirektor für alle BR-Medien durch, auch wenn die Redaktionen noch verstreut über München arbeiten. Womöglich fuhren der Radiodirektor und der Technikdirektor des ORF ja wegen des Studienobjektes BR lieber zu den Medientagen nach München, als wie die übrigen Direktoren samt General an eine großen Workshop für den ORF-Newsroom teilzunehmen.

Boston grüßt Hietzing

In Österreich tagen noch die Mitarbeiter und Manager, die Berater beraten und ORF-Chef Alexander Wrabetz beteuert beständig, es gebe die neue Führungsstruktur für den ORF noch nicht - mit einem multimedialen Infodirektor ist wohl zu rechnen.

Antonella Mei-Pochtler (Senior Partnerin und Geschäftsführerin von The Boston Consulting Group).
Foto: Christian Fischer

Diesen Freitag traf ORF-Chef Alexander Wrabetz wieder jene Berater, die ihm in wenigen Tagen auch offiziell vorschlagen werden, wie es weitergehen soll mit dem ORF. Mit Boston Consulting berät der Alleingeschäftsführer von Österreichs weitaus größtem Medienunternehmen die Frage: Wie wird der ORF künftig geführt? - Und zwar tunlichst unter einem General namens Alexander Wrabetz, das lässt sich gewiss recht deutlich zwischen den Zeilen des Auftrags und der Hinweise des Auftraggebers Alexander Wrabetz an Boston Consulting lesen.

Basisarbeit

Spätestens 2016 bestellt das oberste Aufsichtsgremium des ORF das Management für die nächsten fünf Jahre ab 2017. Wrabetz will den Aufsichtsräten, vorerst heißen sie Stiftungsräte, vor Weihnachten seine Vorstellungen für die künftige Führungsstruktur des ORF vorlegen; die argumentative Basis dafür erarbeitet Boston Consulting in diesen Wochen für ihn. Dafür bekommen die Berater, grob überschlagen, etwa soviel wie ein ORF-General im Jahr. Sie danken das mit internationalen Best-Practice-Beispielen und Benchmarks. Wie Bayern, zum Beispiel.

Die Finnen, die führen

Die Bayern erwähnt ORF-Chef Wrabetz fast schon verdächtig selten, wenn er internationale Beispiele für multimediale News-Organisation bemüht. Umso lieber den finnischen Rundfunk Yle; meist mit dem nach Beruhigung der eigenen Belegschaft klingenden Hinweis, dass dort mehrere Newsroom-Chefs wochenweise abwechselnd die vereinte Multimedia-Redaktion führen. Weniger häufig erwähnt Wrabetz öffentlich, dass auch der finnische Rundfunk einen Infodirektor hat, dessen Mannschaft alle Medien bedient. Der Infodirektor ist laut Funktionsbeschreibung zugleich zentraler Chefredakteur.

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Wie Yle die Aufgaben unter den Direktoren verteilt, denen ebenso ein General vorsteht, ist im ORF derzeit recht häufig Thema - neben dem ruckzuck installierten Infodirektor der Bayern. Die Finnen haben neben dem Infodirektor, zuständig für aktuelle Information, Magazine und Sport, einen Kreativdirektor für die - grob: eher unterhaltenden - Programme. Dazu einen Direktor für Media - im Prinzip geht es da um Kanal- und Programmplanung, quasi: wohin mit den Inhalten von Info- und Kreativdirektion. Dazu kommt eine Unit für Produktion und Technologie. Finanzen, Personal, Recht, Kommunikation übernehmen zentrale Stabsstellen.

Vier Direktoren für den ORF

Vier zentrale Direktoren könnte der ORF auch künftig haben, wird von den Überlegungen des Generals, unterstützt von Boston, kolportiert. Eher kreativ als realistisch klingen Außenseitertipps für die neue ORF-Führungsstruktur wie: Direktoren für Zielgruppen - also eine/r für die jüngere Zielgruppe etwa mit ORF 1, Ö3, FM4 und Teilen von ORF On; eine/r für ältere mit ORF 2, Ö1, ORF 3.

Am höchsten gehandelt wird derzeit die Variante: ein Info- und ein Programmdirektor über alle Medien (statt bisher einem Radio- und einer Fernsehdirektorin) plus Wirtschaft und Technik.

Von ORF 3 nach Salzburg: Takacs gehandelt

Gehandelt werden Varianten wie vor allem diese auch gerne in Kombination mit dem Namen Roland Brunhofers für die Information. Er war lange Betriebsrat im ORF-Landesstudio Oberösterreich, bis er noch unter einer roten Landeshauptfrau ORF-Landesdirektor in Salzburg wurde. Nun stellt die ÖVP den Landeshauptmann, und bald schon könnte Christoph Takacs dort Landesdirektor werden, heißt es. Takacs ist derzeit Chefredakteur des Kultur- und Spartenkanals ORF 3.

Husarenstücke

Das könnte auch sehr schnell gehen, spekulieren Menschen im ORF, die Wrabetz und das Haus lange kennen: Wenn Takacs zum Beispiel mit dem neuen Jahr Landesdirektor wird und Brunhofer nach Wien wechselt, könnte Wrabetz den Stiftungsräten gleich das Modell mit Info- und Programmdirektor vorlegen - und womöglich vorschlagen, gleich die ganze Geschäftsführung neu auszuschreiben - und nicht erst 2016. Er wäre für eine überraschend vorgezogene Generalswahl wohl am besten vorbereitet.

Nun neigt Wrabetz gemeinhin selbst bei kleineren Besetzungen eher zu langer Abwägung als blitzartiger Entscheidung. Aber an - tatsächlichen oder vermeintlichen - Schlüsselstellen kann der Sozialdemokrat auch sehr rasch zum Punkt kommen. Und etwa sehr fix die Abberufung eines (lange schon) aufmüpfigen Fernseh-Infodirektors durchziehen.

Bild nicht mehr verfügbar.

ORF-Chef Alexander Wrabetz.
Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

Doch die Spekulation geht sehr weit, Wrabetz könnte eine frühere Neubestellung vorschlagen und so seine laufende Amtszeit um eineinhalb, zwei Jahre verkürzen. Bei aller Vorbereitung ein hoch riskantes Manöver - wo Kanzler Werner Faymann und Medienminister Josef Ostermayer andere Wunschkandidaten für den Job einfallen sollen.

Generalmobilmachung

Die Perspektive auf die nächste Bestellung macht auch ein Szenario eher unwahrscheinlich, das zuletzt "Profil" präsentierte: Wrabetz könnte die Information selbst vorübergehend führen, immerhin hat er das schon nach der Abwahl Elmar Oberhausers getan. Dagegen spricht: Wenn er den Informationsdirektor macht, erwartet die Politik womöglich auch von ihm, dass er sich in ihrem Sinne einbringt - und in ihrem Sinne durchsetzt. Das könnte mit dem Selbstbewusstsein und verbrieften Unabhängigkeit der Redakteure kollidieren, die eigene Karriereaussichten hinter der Unabhängigkeit einreihen.

Salzburgs Noch-Landesdirektor Brunhofer könnte auch erst einmal als Chefredakteur zu ORF 3 kommen - wenn sich das finanziell einigermaßen vergleichbar (samt Trennungspauschale) ausgeht.

Der Info- und Kulturkanal ist im ORF-Organigramm originellerweise dem General und nicht der TV-Direktorin zugeordnet. Daraus ließe sich etwa auch eine Chefredaktion in der Generalintendanz weiterentwickeln - die es in unterschiedlicher Bedeutung schon gab. So könnte eine Steuerungsfunktion der Information doch zum General wandern.

Jedem Kanal sein Infochef

Parallel zu den neu sortierten Direktorien sollen, wie vielfach berichtet, die einzelnen ORF-Kanäle Senderchefs mit Programm- und Personalkompetenzen bekommen, die sich im Angebot und Output von Info- und Programmdirektion nach ihren Zielgruppen bedienen beziehungsweise dort spezielle Inhalte bestellen.

Diese Senderchefs könnten für journalistische Inhalte jeweils eigene Chefredakteure oder Infochefs bekommen. Dazu jedenfalls nickte ORF-Chef Alexander Wrabetz am Freitag im Publikumsgespräch mit Absolventen und Studierenden am Institut für Journalismus und Medienmanagement an der FH Wien.

ORF-General sollte man können, aber nicht unbedingt wollen

Bei diesem Auftakt zur Gesprächsreihe "Journalismus zum Frühstück" riet Wrabetz Studierenden übrigens, sich nicht allzu bald Hoffnungen auf den Job des ORF-Chefs zu machen. Die Frage, wie man ORF-Chef wird, beantwortete er nicht im Detail. Die Erfahrung zeige nur: Wer es unbedingt werden will, werde eher nicht ORF-General. Ob man dieses Prinzip auch auf jene anwenden kann, die schon General sind, erwähnte er nicht. (Harald Fidler, derStandard.at, 03.11.2014)