Bild nicht mehr verfügbar.

Barack Obama in Milwaukee mit Gouverneurskandidatin Mary Burke. Nicht überall ist der Präsident als Wahlkämpfer willkommen.

Foto: APA/EPA/MATT MARTON

Er ist zurück auf der Wahlkampfbühne, der Präsident, der sich wie kaum ein Zweiter aufs Wahlkämpfen versteht. Barack Obama beugt sich dicht übers Pult, er presst seine Lippen förmlich ans Mikrofon und legt etwas Raues in seine Stimme, was seinen Sätzen Dringlichkeit verleihen soll.

"Wenn ihr nur zu Hause sitzt und jammert, ändert ihr natürlich nichts", ruft er in die Turnhalle der North Division High School in Milwaukee. "Die Leute von der anderen Seite, die bauen darauf, dass ihr nicht wählen geht. Ich bitte euch, belehrt sie eines Besseren." Lethargie habe nie einen Menschen auf den Mond gebracht, nie einen Krieg beendet, nie eine Krankheit geheilt. Die Jüngeren unter seinen Anhängern, weiß der Redner, neigen dazu, eine Kongresswahl zu ignorieren, so sehr sie sich für ein Präsidentschaftsvotum interessieren.

Der Name Obama steht auf keinem Stimmzettel, es geht um 435 Sitze im Repräsentantenhaus, 36 Senatoren und 36 Gouverneursposten, um nur die wichtigsten Ämter zu nennen. Doch wie die Bürger ihren Präsidenten beurteilen, beeinflusst ihre Entscheidung mehr als alles andere. Obamas Zustimmungsrate ist auf 40 Prozent gefallen, das liegt nur knapp über den Werten, die George W. Bush nach sechs Amtsjahren und mehr als drei Jahren Irakkrieg aufzuweisen hatte. Seine Demokraten reißt es mit in den Strudel.

Der Präsident als Bürde

Nur, bei Midterm Elections, Halbzeitwahlen, sei der Staatschef fast immer eine Bürde für seine Partei, doziert Thomas E. Mann, Politikprofessor der Brookings Institution: "Nach alter Gewohnheit nutzen Amerikaner die Midterms als Referendum. In aller Regel haben sie mehr zu beklagen, als dass sie etwas gut finden."

Dass die Partei des Präsidenten Federn lässt, ist also die Regel. Es gibt nur wenige Ausnahmen. 1998 - die Wirtschaft boomte - konnten die Demokraten Bill Clintons zulegen. Vier Jahre darauf ließ die patriotische Welle, die dem Terrorschock des 11. September 2001 folgte, die Republikaner George W. Bushs profitieren. Diesmal vereinen sich Politikverdruss und eine latente Verunsicherung angesichts globaler Unordnung zu einer Stimmungslage, die ein Protestvotum erwarten lässt.

Zum einen verzweifeln die Wähler an einem Kongress, in dem sich Demokraten und Republikaner praktisch auf nichts mehr einigen können, ob eine Einwanderungsreform zur Debatte steht oder der Entwurf eines Budgets. Zum anderen verstärken die Krisen der Welt, von der Ukraine über den Vormarsch der Terrormiliz "Islamischer Staat" bis hin zu Ebola, das vage Gefühl, dass ihrer Regierung die Kontrolle entgleitet. Die Regierung, das ist Obama. Ergo werden die Demokraten bestraft, obwohl die Republikaner kaum populärer sind, obwohl sich die Wirtschaft erholt hat vom Crash der Finanzkrise.

Seit Obama regiert, wurden zehn Millionen neue Jobs geschaffen, die Arbeitslosigkeit sank von zehn auf unter sechs Prozent. Doch das Realeinkommen einer Durchschnittsfamilie stagniert auf dem Stand von 1988, sodass die meisten Haushalte vom Aufschwung nichts spüren. Zwei Drittel der Amerikaner beantworten die Frage, ob ihr Land den richtigen Weg gehe, mit Nein. Darin liegt die Chance der Opposition, und als die wird die "Grand Old Party" (GOP) wahrgenommen. Dass die Republikaner ihre Majorität im Repräsentantenhaus behaupten, daran zweifelt niemand. Spannender ist das Duell um den Senat, wo alle zwei Jahre über ein Drittel der 100 Mandate abgestimmt wird. Diesmal steht jenes Drittel zur Wahl, das zuletzt 2008 vergeben wurde, im Ausnahmejahr, in dem die Obama-Euphorie demokratische Kandidaten selbst in Bundesstaaten triumphieren ließ, in denen normalerweise die Konservativen den Ton angeben.

Alaska, Louisiana und North Carolina gehören dazu. Auch Arkansas, Colorado, Iowa und New Hampshire könnten an die Republikaner fallen. In Montana, South Dakota und West Virginia, wo altgediente Veteranen ausscheiden, prophezeien die Meinungsforscher der GOP klare Siege. Gewinnt sie sechs Sitze dazu, hat sie die Senatsmehrheit. (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 3.11.2014)