Als die Berliner Mauer fiel, am 9. November vor 25 Jahren, war, wenn die Erinnerung nicht trügt, die österreichische Medienwelt ein wenig langsam beim Begreifen (und sogar beim Reportieren) des Ereignisses. Wahrscheinlich zu lange hatte man sich damals mit einer Welt abgefunden, in der die kommunistischen Machthaber jenseits des Eisernen Vorhangs unverrückbar einbetoniert schienen - und die listigen, neutralen Österreicher gute Geschäfte mit dem Reich des Mangels machten. Es gab keine Schuhe in Moskau und keine leistungsfähigen PCs in Ostberlin. Wir lieferten beides, die Schuhe offiziell, die westliche Technologie eher inoffiziell (eine Gruppe um die legendäre Figur Udo Proksch war da sehr aktiv).

Schon damals gab es bei uns etliche, die es lieber gehabt hätten, wenn es bei den alten, "stabilen" Machtverhältnissen im Osten geblieben wäre. Das Freiheitsstreben der Polen, die den Anfang machten, der Tschechen und Slowaken, die sich um einen Dichter (!) scharten, die Massenaufmärsche in der DDR, die von Kirchen (!) ihren Ausgang nahmen - das taugte so manchen "Realpolitikern" und auch vielen Normalbürgern nicht. Der Kommunismus hatte hier niemals nennenswerte Fans - aber autoritäre Verhältnisse schon.

Inzwischen jammern die Österreicher, wenn die russischen Milliardäre nicht mehr kommen. Und etliche schätzen wieder die autoritäre Herrschaft, diesmal eben die eines Putin. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 4.11.2014)