Wien – Brasilien mag Grund dafür gewesen sein, dass Marcel Koller überhaupt Fußballer und in Folge auch österreichischer Teamchef geworden ist. Es war 1970, der kleine, nicht einmal zehnjährige Marcel saß daheim in der Schweiz vor dem Fernseher, hatte ein zu großes Dress der Seleção an ("Es gibt ein Foto davon"), freute sich sehr über den WM-Titel in Mexiko. Koller wurde natürlich nicht nur deshalb Kicker, 1983 gab es aber erneut ein prägendes, brasilianisches Erlebnis. "Ich debütierte in der Startelf im Nationalteam."
Die Schweiz unterlag vor 60.000 Zuschauern in Basel hochverdient mit 1:2, Koller erinnert sich daran, "dass sie viel Ballbesitz hatten. Immer wenn man gedacht hat, man kann einen packen, war er schon wieder weg."
Zum Genießen
Am 18. November 2014, Koller ist mittlerweile 53, folgt ein Déjà-vu, Brasilien, die Dritte. Das Happel-Stadion war binnen 28 Stunden ausverkauft, Koller geht davon aus, "dass sie wieder viel Ballbesitz haben. Es ist etwas Spezielles, ich habe mir Szenen von Neymar angeschaut, er ist einfach unglaublich. Brasilien ist für jeden einzigartig, meine Spieler sollen das genießen." Der Genuss hängt freilich vom 15. November, vom Ausgang der EM-Qualifikationspartie gegen Russland, ab. Das Happel-Stadion war binnen Wochen ausverkauft. Zu Russland hegt Koller keine sentimentalen Gefühle. "Ich weiß nur, dass dieses Match weit wichtiger als Brasilien ist. Ich bin total darauf fokussiert und werde das der Mannschaft vermitteln. Sie ist ja nicht dumm, denkt genauso."
Bewährte Kräfte
Koller gab am Dienstag seinen Kader bekannt, er setzt logischerweise auf das bewährte Personal. Die Verletzten Valentino Lazaro und Markus Suttner werden durch Andreas Ulmer und Andreas Weimann ersetzt. Der Teamchef hat sich noch einmal das 1:0 gegen Montenegro angeschaut. "Abgesehen von der mangelnden Chancenauswertung konnte ich nichts Negatives entdecken." Österreich führt die Tabelle der Gruppe G an, hat in der Weltrangliste Russland überholt (29 und 30.). "Ranglisten sind nette Spielereien. Aber es ist gut fürs ohnehin vorhandene Selbstvertauen." Er sagt nicht, dass Österreich der Favorit sei, Übermut lehnt Koller strikt ab. "Wir brauchen einen sehr guten Tag, müssen alle unser Idee umsetzen, dem Gegner unsere Philosophie aufdrängen." Russlands Coach Fabio Capello soll seit mehreren Monaten vom Verband kein Gehalt bezogen haben. Koller versicherte, dass der ÖFB noch keine Sekunde säumig gewesen sei. "Aber ich mache mir um Capello keine Sorgen. Es wäre gefährlich, über eine Krise im russischen Fußball zu reden." Die Liga sei stark. "Es verfolgt sie halt keiner."
Brasilien in Favoriten
Russland bereitet sich in Bad Tatzmannsdorf vor. Brasilien trifft schon am 13. November in Wien ein, am Tag davor wird in Istanbul gegen die Türkei getestet. Trainingsstätte ist die Generali Arena, Hausherr Austria fühlt sich bauchgepinselt. Carlos Dunga schottet das Team nicht ab, im Hotel wird eine Mixed-Zone eingerichtet. Vielleicht spendet Neymar Worte und Sätze. Von der russischen Abordnung ist ein kollektives Schweigen zu erwarten. (Christian Hackl, DER STANDARD, 4.11.2014)
Der Kader im Überblick
TOR:
Robert Almer (Hannover/GER, 18 Länderspiele)
Heinz Lindner (Austria, 7)
Ramazan Özcan (Ingolstadt/GER, 2)
VERTEIDIGUNG:
Aleksandar Dragovic (Dynamo Kiew/UKR, 33/0 Tore)
Christian Fuchs (Schalke/GER, 63/1)
György Garics (Bologna/ITA, 40/2)
Martin Hinteregger (Salzburg, 5/0)
Florian Klein (Stuttgart/GER, 23/0)
Sebastian Prödl (Werder/GER, 46/4)
Andreas Ulmer (Salzburg, 2/0)
Kevin Wimmer (Köln/GER, 1/0)
MITTELFELD:
David Alaba (Bayern/GER, 35/8)
Marko Arnautovic (Stoke/ENG, 38/7)
Julian Baumgartlinger (Mainz/GER, 34/1)
Martin Harnik (Stuttgart/GER, 46/10)
Stefan Ilsanker (Salzburg, 4/0)
Zlatko Junuzovic (Werder/GER, 35/4)
Christoph Leitgeb (Salzburg, 40/0)
Marcel Sabitzer (Salzburg, 7/2);
STURM:
Lukas Hinterseer (Ingolstadt/GER, 4/0)
Marc Janko (Sydney/AUS, 42/18)
Rubin Okotie (1860 München/GER, 7/1)
Andreas Weimann (Aston Villa/ENG, 12/0)
Auf Abruf:
Thomas Gebauer (Ried, 0)
Cican Stankovic (Grödig, 0)
Christopher Dibon (Rapid, 1/1)
Christopher Trimmel (Union Berlin/GER, 3/0)
Andreas Ivanschitz (Levante/ESP, 69/12)
Jakob Jantscher (Luzern/SUI, 16/1)
Veli Kavlak (Besiktas/TUR, 30/1)
Michael Liendl (Düsseldorf/GER, 1/0)
Marco Djuricin (Sturm, 0)
Philipp Hosiner (Rennes/FRA, 5/2)