Die Philosophin Katharina Lacina in ihrem Schlafzimmer, das für sie etwas Höhlenartiges haben muss.

Foto: Nathan Murrell

Schlaf ist ein Zwischenreich. Man ist im Schlaf nicht mehr Teil einer aktiven Welt, nicht mehr das rastlose Subjekt, das man sonst zu sein hat. Die Sache beginnt schon ein Stück weit mit der Müdigkeit. Müdigkeit ist nicht mehr wirklich gesellschaftsfähig, sie wird als Unhöflichkeit und Unprofessionalität gewertet. Schlaf wird mehr und mehr nur deshalb noch als etwas Wertvolles gesehen, weil er uns leistungsfähiger macht. Dabei besteht sein Wert doch auch in der Funktion als Oase in einem gehetzten Umfeld.

Ich denke, dass Schlaf ein weltvergessener Zustand ist. Schlaf ist weder produktiv noch rational. Schlaf und Tod verweisen uns darauf, dass die Welt auch ohne uns auskommt. Das Aufwachen ist ein Zurückkommen in die aktive Welt. Ob ich Träumen für etwas Passives halte? Jein. Der Traum hat etwas Halluzinatorisches, Unverhältnismäßiges. Ich träume viel, und wenn ich erwache, versuche ich den Traum ein kleines Stückchen in den Tag mitzunehmen.

Fluss des Vergessens

Der Schlaf ist der Bruder des Todes. Was die beiden für ein Verhältnis haben? Die sind Zwillingsbrüder, die mögen sich. In der griechischen Mythologie ist Hypnos der Schlaf, Thanatos der Tod. Der Schlaf wohnt in der Unterwelt, wo auch der Fluss des Vergessens entspringt. Er ist ein menschenfreundlicher Gott, der den Menschen durch den Schlaf die Sorgen nimmt, dafür bekommt er die Hälfte der Lebenszeit. Inzwischen bekommt er allerdings nicht mehr so viel, denn wir schlafen ja viel weniger als zum Beispiel noch um 1900.

Das alles macht natürlich auch das Bett zu einem Objekt mit einem besonderen Stellenwert. Der Schlaf beschreibt einen der wenigen Räume von Passivität, in dem es allerdings immer enger wird. Als Nächstes sollen wir in dieser rastlosen Zeit auch noch über unseren Schlaf verfügen, ihn optimieren. Es gibt Menschen, die schauen auf einer App nach, ob sie gut geschlafen haben. Sportler trainieren luzides Träumen, um ihre Bewegungsabläufe zu optimieren, und die Schlafmittelindustrie wächst und wächst.

Dabei ist Schlaf etwas, das uns passieren soll. Das macht ihn zu einem Verwandten der Liebe. Aber auch die hat es immer schwerer in Zeiten, in denen man in Beziehungsratgebern nachliest, wie man richtig liebt, wie man gut liebt etc. Passivität ist einfach out, auch der Widerfahrnischarakter des Eros. Und hier kommt ebenso der Tod ins Spiel: Über das Sterben wird gesprochen, der Tod ist ein Tabu. Und so ist auch der Schlaf uncool geworden, er ist unproduktiv. Als cool gilt der, der sagt, ich komm mit nur vier Stunden Schlaf aus.

Alltagssymbol

Dabei geht es doch darum, die Welt auch einmal Welt sein zu lassen. Nehmen wir die Formulierung "verschlafen" her. Hat man eine Entwicklung oder etwas "verschlafen", ist das etwas Negatives, herhalten muss der Begriff Schlaf, der doch von seiner Natur her für etwas sehr Positives steht. Als praktisches Alltagssymbol für den Schlaf steht das Bett. Im Bett kommen wir in der Regel auf die Welt, im Bett lieben wir uns, zeugen Kinder und sterben hoffentlich dort. Menschen wollen in ihren Betten einschlafen und nicht mehr aufwachen, das ist die beliebteste Todesvorstellung.

Mein Schlafzimmer ist ein klarer Raum, das Gegenteil von angeräumt. Es gibt keine elektronischen Geräte darin, nicht wegen der Strahlung, sondern weil ich den Raum als Rückzugsort vor der Welt verstehe. Dort ruft mich kein E-Mail und kein Facebook. Als Wecker funktioniert meine vierjährige Tochter Zora tadellos, eine wunderbare Art des Aufwachens.

Ein Schlafraum hat für mich etwas Höhlenartiges, darum würde ich auch kein großes Schlafzimmer wollen. In einem solchen würde ich mich verloren und ungeschützt fühlen. Das Bett ist ein einfaches Modell von Ikea, ganz ohne Ornamente. Wichtig ist, dass es groß genug ist und sich ein Stück weit vom Boden abhebt. Es ist ein bisschen wie ein Schiff. Außerdem hat es Laden, in die man das Bettzeug stopfen kann. Mein Schlafzimmer ist ein Ort des Schlafens mit der Option des Lesens, wobei ich noch nie mit einem Buch eingeschlafen bin. Das wird immer zuerst weggelegt. Acht Stunden Schlaf sind für mich ideal, meistens geht sich das allerdings nicht ganz aus. (Michael Hausenblas, Rondo, DER STANDARD, 7.11.2014)