Wien - Es ist buchstäblich das i-Tüpfelchen, das ausschlaggebend sein kann, ob jemand einen Job bekommt: Mehrfach kam in internationalen Studien, in denen gleichwertige Lebensläufe mit unterschiedlichen Namen verschickt wurden, zum Ausdruck, dass ein Strich über dem i oder ein Häkchen unter dem c entscheiden, ob und wann Bewerber Rückmeldung erhalten.

Diesen Umstand nahmen Forscher des Berufsförderungsinstituts bfi Wien kürzlich zum Anlass, um Interviews mit Migranten erster Generation über ihre Erfahrungen am Wiener Arbeitsmarkt zu führen - einem bisher noch wenig erforschten Feld. Da dabei weit mehr qualitative Unterschiede im Fokus standen als quantitative Erhebungen, war die Größe der Stichprobe weniger entscheidend. Befragt wurden neun Personen, viele mit türkischem Hintergrund, mit höherem Bildungsabschluss - mindestens Matura, einige mit Universitätsabschluss.

Die zweite Wahl

Bei allen Befragten zeigte sich, dass soziale Netzwerke eine große Rolle bei der Jobsuche spielen - allerdings geht es dabei um schlechter bezahlte Jobs, sagt Laura Dörfler, die als Soziologin der Fachhochschule des bfi Wien tätig ist und an der Studie beteiligt war.

Beim Zugang zum Arbeitsmarkt hatten die Migranten das Gefühl, weniger häufig zu Vorstellungsgesprächen eingeladen zu werden als ihre österreichischen Konkurrenten und viel länger auf Reaktionen auf ihre Bewerbungen warten zu müssen. Insgesamt fühlten sie sich "als die zweite Wahl, wenn kein Inländer gefunden wurde".

Ein ähnliches Bild hätte sich in mehreren internationalen Studien gezeigt. Ausschlaggebend sei dabei, "ob ein Name ausländisch oder inländisch klingt" - Staatsbürgerschaft oder in der wievielten Generation jemand im Land lebt, spielt beim Zugang zum Arbeitsmarkt eine untergeordnete Rolle. "Die Chancen sind schlechter, auch in der zweiten oder dritten Generation", sagt Dörfler.

Befragt nach ihren Erfahrungen mit dem Arbeitsmarktservice wurde von strukturellen Diskriminierungen berichtet - "Weiterbildungswünsche wurden abgelehnt und der Ausbildungshintergrund ignoriert", sagt Dörfler. Die angebotenen Jobs lagen oft unter dem Ausbildungsniveau, und letztlich nahm keiner der Befragten über das AMS einen Job an.

Vereinzelt wurden auch positive Erlebnisse durch den Migrationshintergrund genannt, etwa, dass die Muttersprache als Plus gewertet wurde. Doch die "negativen Erfahrungen überwiegen".

Als Auswirkung der Diskriminierungen berichteten viele von einem Gefühl der Gestresstheit bis hin zu depressiven Phasen. Dennoch trug niemand die Diskriminierungserfahrungen an entsprechende Stellen weiter - "einerseits war das Wissen nicht da, dass es diese gibt", sagt Dörfler, "andererseits herrscht die Meinung vor, dass es sich nicht lohnt". In den skandinavischen Ländern funktioniere das besser, "es gibt dort ein höheres gesellschaftliches Bewusstsein für Ungleichbehandlung". (Tanja Traxler, DER STANDARD, 5.11.2014)