Wer jetzt noch keinen hat, der sollte sich beeilen - lange hängen die Wintermäntel nicht mehr in den Geschäften. Wir haben die wichtigsten aktuellen Manteltypen zusammengestellt

Kniefrei: Die Sechziger

Dieser Winter könnte einigermaßen aufregend werden. Zumindest für die, die in diesen Mantel investieren, dürfte das Geld gut angelegt sein: Mit dem kurzen Mäntelchen wird nämlich gleichzeitig auch ein Ticket für eine Zeitreise gelöst. Wohin es geht? Zurück in die Sechziger. Allerdings nicht in die der olivgrünen Army-Parkas, die während der Studentenproteste in Westberlin aufbegehrten. Dafür wird in das aufregende Doppelleben einer bourgeoisen Pariser Arztgattin geschlüpft.

Catherine Deneuve lotete 1967 als platinblonde Séverine in "Belle de Jour" in solchen Mänteln ihre sexuellen Neigungen aus. Mehr als 45 Jahre später dürfte die Schauspielerin in der ersten Reihe bei Louis Vuitton der Schlag getroffen haben. All die Mäntelchen in A-Linie, die Nicolas Ghesqière da über den Laufsteg schickte: Die hatte sie doch so ähnlich am Set des Buñuel-Films getragen. Spätestens seit "Belle de Jour" weiß man, dass es unter einem solchen Mantel alles andere als staubtrocken zugeht. Wer das zu rasant findet, sollte sich bei Gucci umsehen. Da gibt's dasselbe entschärft knapp und kniefrei in Pastell.

Foto: Jürgen TEller

Normcore, revisited: Der Kamelhaarmantel

Normcore bis zum Jahresende: In den vergangenen Monaten war von keiner anderen modischen Bewegung öfter die Rede. Und jedes Mal, wenn es wieder einmal um die Herkunft von ausgewaschenen Jeans, Tennissocken und Sneakers ging, wurde er als Stilvorbild hervorgezerrt: Jerry Seinfeld aus der US-Sitcom "Seinfeld". Was das alles mit dem Kamelhaarmantel zu tun hat? Der spielte in der NBC-Serie natürlich auch eine Rolle: Julia Louis-Dreyfus, die sonst gern in Blümchenkleider schlüpfte, traute sich als die clevere Elaine Benes über einen wadenlangen Kamelhaarmantel. Und das mit einer Körpergröße von knapp 1,60 Meter.

Mit dem beigen Stück würde sie heute noch ganz richtig liegen. Nicht nur der italienische Kamelhaarmantelexperte Max Mara (im Bild), sondern auch die New Yorker Partie sitzt mit im Boot: von Alexander Wang über Donna Karan bis Phillip Lim. Dem schloss sich übrigens gleich ein weiterer Mann an: Kanye West interpretierte "Normcore" auf dem Titel der Männerzeitschrift "GQ" auf eigene Art: Zu Goldketterl und weißem T-Shirt kombinierte er ganz selbstverständlich teures Kamelhaar.

Foto: Max Mara

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Auftritte: Lange und überlange Mäntel

Was die Garbo und Grace Kelly gemeinsam haben? Ihre Vorliebe für lange Mäntel. Bei der einen floss der Pelz in den Zwanzigern bis zum Unterschenkel, die andere schichtete in den Fünfzigern beeindruckende Mäntel über schwingende Röcke. Wenn allerdings eine vorgeführt hat, dass ein großzügig geschnittener Mantel für den großen Auftritt taugt, dann Marlene Dietrich. Deren weißer Bühnenmantel, ganze drei Meter lang, gefertigt aus den Brustdaunen von Schwänen, ein Synonym für verschwenderische Eleganz: Die Schleppe rollte sich auf dem Boden zusammen, der runde Kragen rutschte auf der Bühne über die Schultern.

Der Sicherheit halber hielt die Dietrich während ihrer One-Woman-Show ab den Fünfzigern stets zwei solcher Mäntel parat. Für diesen Winter wäre so viel Vorsicht übertrieben. Und aus Pelz muss der waden- bis knöchellange Spaß auch nicht sein. Die Mäntel von Céline, Miu Miu (im Bild) oder Dior sorgen mit breitem Revers, aufgesetzten Taschen oder seitlicher Schnürung für Aufregung. Den Rest erledigt der Saum, der die Unterschenkel umspielt, ganz von allein.

Foto: AP

Für mehr Wolke als Haut: Der Steppmantel

Was wurde schon geschimpft über die Steppmäntel - zu Recht. Denn die verseuchen in jedem Winter verlässlich die Fußgängerzonen und verwandeln die Infizierten in muskulöse Michelin-Männchen. Deren Rechtfertigung? Steppmäntel sind ja so furchtbar praktisch. Und natürlich furchtbar kuschelig. Und ja, in Zeiten, in denen es sonst schon nicht allzu gemütlich zugeht, haben sie vielleicht sogar eine Funktion zu erfüllen. Warum aber gleich alle dieselben quergesteppten Modelle anziehen müssen? Um etwa nachher wie schwarz glänzende Wursthäute mit Pelzgefieder durch die Fußgängerzonen zu flanieren? Das muss ja irgendwie nicht sein. Und erst recht nicht in diesem Winter.

Es gibt da nämlich so einige Designer, die das mit der Steppware anders angehen: Stella McCartney lässt die Steppnähte über einen großen Mantel kurven, bei Fendi wird Stepp mit Netzstoff und Pelz-Patchwork kombiniert und Kenzo packt die Frau in einen All-over-Steppanzug samt dazugehörigem Mantel (im Bild). Die könnte den elenden Wursthäuten schon zeigen, wo die Daunen besser aufgehoben sind. Wenn man sie denn lässt.

Foto: Kenzo

Oversize: Auf die Schulter genommen

In den Achtzigern, da war die Sache noch ganz einfach. Ganz viel Stoff und ganz viel Polster. Mit einem Blick ließen sich berufliche Ambitionen damals am Durchmesser der weiblichen Schulter ablesen. Sigourney Weaver machte das Ende der Achtziger im Film "Working Girl", bezeichnenderweise mit "Die Waffen der Frauen" übersetzt, vor. Sie federte als unterkühlte Investmentbankerin über die Teppiche der Unternehmensflure in Manhattans Financial District. Über Bluse und Blazer fiel ein übergroßer Mantel. Das Prinzip nannte man damals "Power Dressing".

Und heute? Wird zwar genauso gern gestapelt, die Schulterpolster sucht man aber vergebens. Stattdessen werden die breiten Mäntel auf die leichte Schulter genommen. Simon Porte, der Designer des französischen Labels Jacquemus, hat sich zum Beispiel für diesen Winter Oversized-Mäntel ausgedacht, die die Trägerin wie ein Mädchen im Mantel versinken lassen (im Bild). Doch nicht nur das. Simon Porte wagt es, seine Kollektion La Femme Enfant, die "Kindfrau", zu nennen. Das ist 2014 natürlich mit einem Augenzwinkern zu verstehen. (Anne Feldkamp, Rondo, DER STANDARD, 7.11.2014)

Foto: Jacquemus