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70 Prozent der Weltbevölkerung sollen in 30 Jahren bereits in urbanen Räumen leben. Um sie zu versorgen, bedarf es innovativer Logistikkonzepte.

Foto: Picturedesk/Westend61

Wien - Wasserstoffgetriebene Minizüge mit mehreren Wagons, die die Geschäfte in Fußgängerzonen beliefern; ein privates, per Internet organisiertes Paketnetzwerk, bei dem Menschen, die tagsüber zu Hause sind, Postsendungen entgegennehmen und so eine "Packerlstation" betreiben; oder ein E-Car-Sharing-System, bei dem sich mehrere Unternehmen Fahrzeuge teilen, um eine optimale Auslastung zu erzielen: Die vergangenen Jahre haben viele Ideen gebracht, wie die Logistik in Städten effizienter, umweltschonender und platzsparender angelegt werden könnte. Im heuer erschienenen Grünbuch Nachhaltige Logistik in urbanen Räumen der BVL Bundesvereinigung Logistik in Österreich und Deutschland sind eine ganze Reihe dieser Ansätze versammelt.

Jens Pfeiffer, Senior-Berater beim Prozessoptimierer IFSS Institute for Lean Six Sigma leitet das Kompetenzzentrum Nachhaltigkeit der BVL und hat auch die Erstellung des Buches koordiniert. "Gerade beim Thema City-Logistik ist es notwendig, dass Dienstleister und öffentliche Hand Kooperationen eingehen", sagt er. Beide Beteiligten seien auch Zielgruppe des Buchs, das sowohl die Grundlagen einer Einbettung neuer logistischer Konzepte in die Smart Cities der Zukunft referiert als auch eine ganze Reihe von Beispielprojekten weltweit aufzählt.

Vorzeigeprojekt Padua

Für Pfeiffer ist die Zeit, in der Nachhaltigkeit von einigen Logistik- und Industrieunternehmen lediglich als hohles PR-Schlagwort verwendet wurde, längst vorbei. "Das Thema ist mittlerweile stark verankert. Es gibt konkrete Anforderungen an Industrie und Dienstleister." Dementsprechend sei auch dem Grünbuch eine klare Definition von Nachhaltigkeit vorangestellt, die nicht nur ökologische Gesichtspunkte, sondern im selben Ausmaß auch ökonomische und soziale Aspekte in den Fokus stellt. Wenn im Rahmen einer "Grätzellogistik" - wie etwa beim Fallbeispiel Packerl.net - ältere oder arbeitslose Menschen tagsüber Pakete entgegenehmen, ist das gleichzeitig eine soziale Integrationsmaßnahme.

Wie intelligente City-Logistik im Großen funktionieren kann, zeigt beispielsweise das Projekt Citiporto in Padua in Norditalien. Insgesamt 55 Spediteursunternehmen haben sich hier mit der Stadtverwaltung zusammengetan, um ein Konsolidierungszentrum für Stückguttransporte aufzubauen und zu betreiben. "Nach ersten Versuchen im Jahr 2005 hat sich das in der Stadt mittlerweile gut etabliert", sagt Pfeiffer. Die Warenströme werden in dem Urban-Distribution-Center konsolidiert, und die Auslastung der Touren in die Stadt wird optimiert. Die Zahl der benötigten Fahrzeuge wurde auf diese Weise reduziert, die Citiporto-Wägen dürfen dafür auch Busspuren und sonstige reglementierte Zonen befahren.

Padua ist ein Beispiel für ein funktionierendes City-Terminal-System, dem aber auch mehrere ähnliche Konzepte gegenüberstehen, die nicht aufgegangen sind. Mittlerweile hätten sich die Rahmenbedingungen aber verändert, erklärt Pfeiffer. "Jetzt ist die Zeit gekommen, das Thema wieder neu zu denken."

Neue technische Möglichkeiten smarter Verkehrssteuerung, alternative Antriebsformen und höhere Anforderungen durch steigende Urbanisierungsgrade sollen in den Logistikkonzepten eine Entsprechung finden. Immerhin würden in 30 Jahren 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben, so Pfeiffer.

Maßgeschneiderte Lösungen

In den gewachsenen Städten wird die Logistik der Zukunft aus vielen verschiedenen individuell angepassten Lösungsansätzen bestehen. Pfeiffer: "Die eine Lösung, die alle Probleme behebt, gibt es nicht. Es geht vielmehr darum, möglichst viele Konzepte miteinander zu kombinieren." Sie reichen von der Paketzustellung per Lastenfahrrad bis zu Mikrohubs in einzelnen Stadtteilen, von der Versorgung per unterirdische Tunnelsysteme bis zu den erwähnten Versorgungszügen für Fußgängerzonen, die fahrerlos betrieben werden können.

Diese Wägen, die im Projekt "Citylog EMF" des Salzburger Transporttechnikunternehmens HET entwickelt wurden, haben ihren ersten Test bereits absolviert - in der Klagenfurter Innenstadt. (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 5.11.2014)