In wenigen Stunden werden wir uns als Jury zusammensetzen, um aus den 20 gemeinsam geschauten Filmen einen auszuwählen, der auf derStandard.at Werbeplatz und damit bessere Chance auf einen Verleih in Österreich erhalten soll. Die Entscheidungsfindung wird sich bis spät in die Nacht hinein ziehen: So viel hat uns STANDARD-Redakteur Dominik Kamalzadeh bereits vorausgesagt. - Wen wir heute Abend zum Sieger erklären, das weiß ich nicht; aber ich weiß, für welchen Film ich werben möchte.

Große Filme ...

Es ist nicht "Leviafan" von Andrey Zvyagintsev (RUS 2014), dieses bildgewaltige Epos, in dem sich die zerstörenden Machenschaften korrupter Politiker in Aufnahmen der brandenden Barentssee spiegeln und an dessen Ende ein Mann sein Haus, die Familie und jede Hoffnung verloren hat.

Es ist nicht "Court" von Chaitanya Tamhane (Indien 2014), jenes fast dokumentarisch anmutende, dabei aber so unaufdringlich ruhig erzählte Drama über das indische Rechtssystem: ein Film, nach dem sich mancher fragt, ob man das Wort "Gerechtigkeit" noch in den Mund nehmen soll.

Es ist nicht "Bird People" von Pascale Ferran (F 2014), aus dem ich wie verwandelt nach Hause ging: ein Mann schmeißt da alles hin (Ehe, Job, Kind) und gewinnt so erst wieder Augen für die Welt; und einer jungen Frau wachsen Flügel, da sie zwar zu sehen vermag, aber vor lauter Arbeit nicht dazu kommt.

Und es ist nicht "Sorg og Glaede", der geradezu gespenstische Liebesfilm von Nils Malmros (DK 2013), in dem ein Mann erkennen muss, dass er mindestens genauso Schuld trägt am Tod seines Kindes wie die kranke Ehefrau, die es umgebracht hat.

Der Schönste aber ...

Das waren großartige Filme. Aber der schönste, ehrlichste - der, für den ich am heutigen Abend möglichst lange kämpfen will - ist ein anderer: es ist "Siddarth" von Richie Mehta (CAN/Indien 2013). Es fällt mir schwer, etwas über diesen Film zu sagen, das mir nicht sofort als gänzlich verzerrend oder zu kurz greifend erschiene. Es ist ein Film über einen Mann, der seinen verlorengegangenen Sohn sucht.

Und was man als Zuseherin dieser Suche sieht, vermittelt einem mehr über das Leben, über die Liebe des Vaters zum Sohn, über Indien, über die Menschen dort, als dies eine vermeintlich weit sachlichere Darstellung je könnte. Es ist kein einfacher Film - und ich weiß nicht, ob ich nicht vielleicht heute Abend ganz alleine mit ihm dastehen werde. Aber er wäre meine Wahl. (Franz Schörkhuber, derStandard.at, 4.11.2014)