Fragt man in Deutschland Menschen auf der Straße, ob sie Ilja Schulz kennen, verneinen die meisten. Nennt man hingegen den Namen Claus Weselsky, folgt häufig gequältes Stöhnen.

Ilja Schulz ist Chef der Pilotengewerkschaft Cockpit, Claus Weselsky steht der Gewerkschaft der Lokführer (GDL) vor. Beide führen seit Monaten harte Arbeitskämpfe gegen ihre Dienstgeber, die Lufthansa und die Deutsche Bahn. Dass Schulz kaum wer kennt, sein Pendant Weselsky jedoch als Buhmann der Nation gilt, hat nicht nur damit zu tun, dass mehr Leute Bahn fahren als fliegen.

Je öfter Loks in ihren Remisen bleiben, desto mehr verfestigt sich der Eindruck, dass dies nicht nur zum angeblichen Wohle der Lokführer-Geldbörsen ist, sondern vor allem mit der Persönlichkeit des äußerst streitbaren und streikbereiten Weselsky zu tun hat. Der will partout erzwingen, dass seine GDL auch andere Berufsgruppen vertreten darf. Das ist das oberste Ziel, da fährt die Eisenbahn drüber. Wenigstens die.

Neuer Streik ab Donnerstag

Andernorts wird sie demnächst wieder stehen. Weselsky plant nämlich ab Donnerstag früh einen viertägigen Streik im Personenverkehr, Güterzüge stehen schon ab Mittwoch still. Deutschland steht somit vor dem längsten Bahnstreik seiner Geschichte. Dass er selbst mittlerweile als "sturster Gewerkschafter" Deutschlands verschrien ist, stört den 54-Jährigen aber nicht.

Er stammt aus Dresden, absolviert in der DDR die Lokführerausbildung für Diesel- und E-Loks und engagiert sich ab 1990 in der GDL. Deren Vorsitzender wird er im Mai 2008. Doch schon 2007 und 2008 zieht er als Vize des damaligen GDL-Chefs Manfred Schell im ersten großen Tarifkonflikt mit der Bahn die Fäden. Weselsky ist es, der die harte Linie fährt und am Ende ein Lohnplus von elf Prozent rausschlägt.

Auf der Bühne

Damals jedoch wirkt er noch hinter den Kulissen, jetzt will er als Chef sein eigenes Profil schärfen. Dass ihn nicht nur das Bahnmanagement, sondern auch Reisende mittlerweile mehr fürchten als Eis und Schnee, stört ihn nicht. "Es ist beeindruckend, Macht zu haben", hat er in einem Interview mit der Welt am Sonntag einmal erklärt.

Doch je länger die gewerkschaftlich organisierten Lokführer ihren Chef in breitestem Sächsisch (sein Markenzeichen) von "Orbeidsgompf" reden hören, desto unwohler wird auch vielen von ihnen. Vorgänger Schell ist sogar so empört, dass er mit Weselsky nicht mehr redet. Der aber fährt auf seiner Schiene weiter. (Birgit Baumann, DER STANDARD, 5.11.2014)