Christiane Sommer blieb im Alter von 15 Jahren als erste Frau der Welt über 100 Meter Delfin unter der Minute (59,78).

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Ines Geipel ist die Vertreterin der DDR-Dopingopfer. Sie ist ehemalige Weltklassesprinterin und staatlich anerkanntes Dopingopfer, sie sagt: "Wir haben eine richtig lange Todesliste. Die Leute sterben"

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Wien - Wie in der DDR begründet wurde, dass zwar ostdeutsche Frauen, nicht aber Männer an die Weltklasse schwammen? "Wir können aus Frauen Männern machen, aber aus Männern keine Fische." Christiane Sommer (Mädchenname Knacke) war eher ein Backfisch, als sie 1977 im Alter von 15 Jahren als erste "Frau" der Welt über 100 Meter Delfin unter der Minute blieb (59,78). Der Weltrekord passierte just im Länderkampf der DDR gegen die USA, das gab ihm eine politische Note. Das Ostberliner Friesenstadion stand quasi Kopf.

"Man hat mit uns wie mit Tieren experimentiert", sagte Sommer später. "Sie haben uns das Zeug untergemischt." Als sie noch Knacke hieß, 1986, hatte sie sich am "Treffen europäischer Jugendgewerkschaften zwecks Völkerverständigung" in Moskau mit dem Wiener Jugendgewerkschafter Gottfried Sommer verständigt. Es wurde geheiratet, und noch vor der Wende, 1988, durfte Christiane die DDR verlassen.

Frau Sommer arbeitete einige Monate lang als Trainerin für den österreichischen Schwimmverband und war sehr erstaunt, als nach der Wende auch ihr ehemaliger Trainer Rolf Gläser in Österreich auftauchte. Gläser wurde vom Land Oberösterreich in Linz angestellt, war auch für den Schwimmverband tätig. Im DDR-Dopingprozess trat Sommer gegen Gläser auf, der den Mädchen, die sich über ihre tiefen Stimmen wunderten, seinerzeit geantwortet hatte: "Ihr sollt ja nicht singen, sondern schwimmen."

Wie Gläser, der 2004 verstarb, waren viele DDR-Kapazunder in Österreich gelandet, etwa Hans Eckstein (Rudern), Werner Trelenberg (Leichtathletik), Hans Müller Deck, Frank Friedrich (beide Judo), Wolfgang Kipf (Volleyball), Klaus Bonsack (Rodeln), Gerd Müller, Günter Lux (beide Rad), Rüdiger Helm und Wolfgang Lange (beide Kanu). Und allen voran Bernd Pansold. Der Sportmediziner diente im Olympiastützpunkt Obertauern auch dem Skiverband (ÖSV), der sich freilich von Pansold lossagte, als dieser 1998 wegen Dopings von Minderjährigen in neun Fällen zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.

Mit offenen Armen

Österreich nahm die Wunderwuzzis, die günstig zu haben waren, weil sie anderswo kaum untergekommen wären, mit Naivität und offenen Armen auf. Helmut Donner, Ex-Präsident des Leichtathletikverbands, sagte über Ex-ÖLV-Cheftrainer Trelenberg: "Er hat gewusst, dass und wie gedopt wurde, war aber selbst sicher nicht aktiv beteiligt."

Viele haben Österreich wieder verlassen, Pansold ist geblieben. Seit 2003 leitet er das Diagnostik- und Trainingszentrum von Red Bull, in dem Red-Bull-gesponserte Profisportler betreut werden. Red Bull nennt Pansold einen "der weltweit führenden Leistungsdiagnostiker und Sportmediziner. Doktor Pansold ist in Medizinerkreisen und bei unseren Athleten in seiner Integrität und Korrektheit unbestritten." Pansold selbst sagte dem "Wirtschaftsblatt", er könne "den Verdacht in Bezug auf meine Person nicht verhindern, doch das ist alter Käse aus der Zeit des Kalten Krieges".

Der Käse indes könnte noch ein gewisses Aroma entwickeln. Mit 1. Jänner 2015 soll eine Novelle des Anti-Doping-Bundesgesetzes (ADBG) in Kraft treten. Demnach wäre aktiven Sportlern in Zukunft die Zusammenarbeit mit verurteilten Trainern, Betreuern und Funktionären untersagt. Christiane Sommer ist nicht die Einzige, die den Entwicklungen gespannt entgegenblickt. (Fritz Neumann, DER STANDARD, 6.11.2014)