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Baustelle Capitol Hill: Die Republikaner wollen dafür sorgen, dass Obamas Agenda auch bis 2016 unvollständig bleibt.

Foto: REUTERS/Gary Cameron

STANDARD: Ist Barack Obama seit heute das, was man in den USA als "lahme Ente" bezeichnet?

Parakilas: Er ist nicht allein. Das ist ein Begriff in der US-Politik, den man auf alle Präsidenten anwenden kann, die ihre letzte Wahl hinter sich haben. Sie alle, nicht nur Obama, kämpfen ab diesem Zeitpunkt gegen die Irrelevanz in den letzten zwei Amtsjahren.

STANDARD: Aber sein politisches Gewicht ist jedenfalls geringer geworden ...

Parakilas: Ja, das stimmt wohl. Aber schlimmere Auswirkungen hatten die Wahlen 2010, als die Demokraten das Repräsentantenhaus verloren. Danach hatte Obama nur noch im Senat eine kleine Mehrheit. Und da hat er wenig ausrichten können. Jetzt wird es für ihn noch schwieriger, seine Vorstellungen durchzuboxen bei Postenbesetzungen oder in Budgetverhandlungen. In der Summe ist diese Wahl aber keine fundamentale Verschiebung.

STANDARD: Sind jetzt Errungenschaften der Obama-Administration in Gefahr, etwa die Reformen im Gesundheitsbereich?

Parakilas: Die Republikaner werden sicherlich etwas in dieser Richtung versuchen. Im Senat scheiterten die Abänderungsanträge aber stets an der dünnen Mehrheit der Demokraten. Das ist jetzt anders: Obama muss sich darauf einstellen, mittels Veto zu regieren. Um dieses Veto abzuschmettern, haben die Republikaner aber bei weitem nicht die nötigen 67 Stimmen. Sie können dennoch Druck machen, vor allem auf Verhandlungsebene, in Detail- und in verfahrenstechnischen Fragen. Obamas politische Agenda als solche werden sie aber nicht umkrempeln können.

STANDARD: Wird sich der innenpolitisch geschwächte Obama nun in die Außenpolitik flüchten?

Parakilas: Mit Sicherheit wird er kurzfristig versuchen, in den Atomverhandlungen mit dem Iran etwas zu erreichen. Die Sitze im Senat werden im Jänner neu besetzt. Bis dahin haben die Demokraten dort noch die Mehrheit. Wenn er also etwas dort abstimmen lassen will, hat er nur jetzt, in den nächsten wenigen Wochen, noch die Möglichkeit dazu. Der republikanisch dominierte Senat wird ab Jänner in dieser Sache sicher weniger freundlich gestimmt sein.

STANDARD: Wird sich die außenpolitische Stoßrichtung insgesamt verändern?

Parakilas: In Teilen sicher. Der Unilateralismus wird wieder stärker zum Thema werden. Senatoren wie Rand Paul werden eine sehr konservative, eher nach innen gewandte Politik einfordern. Vor allem werden wir immer mehr von jenen Senatoren zu sehen bekommen, die 2016 Präsident der USA werden möchten.

STANDARD: Stichwort 2016: Wie ist der Wahlausgang für die wahrscheinliche Kandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, zu interpretieren?

Parakilas: Weder gänzlich negativ noch gänzlich positiv. Sie muss nun sehr viel Wert darauf legen, nicht bloß als Obamas ehemalige Außenministerin wahrgenommen zu werden, sondern als eigenständige Person, als Politikerin mit eigenem Profil, als eigene Kandidatin. Bei aller nötigen Distanzierung und Emanzipation von Obama muss sie darauf achten, den Bogen nicht zu überspannen. Sie muss sich in ihrer Kritik an der Regierung mäßigen, sonst gilt sie sehr schnell als illoyal. (Gianluca Wallisch, DER STANDARD, 6.11.2014)