Mehrere Frauen belasten den CBC-Moderator Jian Ghomeshi.

Foto: jian.ca

Vancouver - Kein Rundfunkmoderator war populärer in Kanada, aber jetzt ist Jian Ghomeshi, Sohn iranischer Immigranten, wegen Skandalberichten vom Sockel gestürzt.

Ghomeshis legendäre Morgensendung Q, ein Kulturmagazin, das auch in den USA ausgestrahlt wird, machte den 47-Jährigen zu einem der höchstbezahlten Aushängeschilder der kanadischen Fernseh- und Radiogesellschaft CBC.

Die hat ihn jedoch vor einigen Tagen Knall auf Fall entlassen: In Medienberichten wird Ghomeshi sexuelle Gewalt gegenüber meh-reren Frauen vorgeworfen. Die Polizei ermittelt in zwei Fällen. Ganz Kanada ist schockiert.

Sadomaso, aber angeblich mit Zustimmung

Ghomeshi, ein ehemaliger Rockmusiker mit Samtbariton und unschlagbarem Charisma, machte als Erster die Kündigung bekannt. Auf Facebook behauptete er, eine Exfreundin und ein Journalist wollten ihn in den Dreck ziehen und "dämonisieren". Der Medienstar räumte ein, dass er "derben Sex" im Sinne von Sadomaso und Fesseln praktiziert habe, aber alles mit Zustimmung der Frauen.

Anfänglich nahmen ihn eine ganze Reihe kanadischer Kommentatoren in Schutz. Sie konnten den einfühlsamen Interviewer mit dem gewinnenden Lächeln nicht mit einem angeblichen Missbrauchstäter in Einklang bringen. Ein preisgekrönter Talkmaster, der einst Women's Studies, Frauenforschung, an der Universität studiert hatte?

Aber dann schlug die öffentliche Stimmung um. In der kanadischen Zeitung Toronto Star berichteten acht Frauen von sexuellen Gewalterfahrungen mit Ghomeshi: dass er mit Fäusten auf ihre Köpfe geschlagen, sie gewaltsam an den Haaren gezerrt, auf den Boden geworfen und gewürgt habe.

Teddybär sollte Übergriffe nicht sehen

Die beliebte Schauspielerin Lucy DeCoutere machte publik, dass Ghomeshi sie geschlagen und gewürgt habe - ohne sie vorher zu fragen. Zwei andere Frauen erzählten, er habe vorher seinen Teddybär im Schlafzimmer umgedreht mit den Worten: "Er soll das nicht sehen."

Ghomeshi galt lange als unantastbar, weil er so erfolgreich und so wichtig für die CBC war. Eine frühere junge Produzentin berichtete, um den berühmten Moderator habe eine "Atmosphäre der Tyrannei" geherrscht und Mitarbeiterinnen hätten nicht gewagt, die Übergriffe anzuzeigen.

Ghomeshi hat im Gegenzug eine 55-Millionen-Dollar-Klage gegen die CBC wegen Verleumdung und Vertrauensbruchs eingereicht, der aber wenig Chancen eingeräumt werden. Die CBC erklärte, man habe seit Monaten von den Anschuldigungen gewusst, aber zunächst Ghomeshis Dementis geglaubt. Doch dann hätten Rundfunk-Verantwortliche "Beweise, dass Jian einer Frau Körperverletzungen zufügte", gesehen.

Der gestürzte Publikumsliebling ist nun Ziel nationaler Empörung. Seine frühere Musikgruppe distanzierte sich von ihm. Der Penguin-Verlag zog ein Buchprojekt mit ihm zurück. Und die CBC will nun untersuchen lassen, wie all das überhaupt möglich war. (Bernadette Calonego aus Vancouver, DER STANDARD, 6.11.2014)