Berlin - "Ich habe dem Bundespräsidenten geschrieben. Es wäre im Jahr 25 nach dem Mauerfall doch auch eine symbolische Geste, beispielsweise eine Gruppe Betroffener ins Schloss Bellevue zu holen", sagt Ines Geipel. Doch Joachim Gauck hat keine Zeit. Seit Jahren kämpft Geipel (54), ehemalige Weltklassesprinterin und selbst staatlich anerkanntes Dopingopfer, für die Rechte der Betroffenen. Mittlerweile steht sie dem Doping-Opfer-Hilfeverein (DOH) vor. Immer wieder beklagt sie die Ignoranz, auf die sie in Gesprächen mit Verantwortlichen, Funktionären und Politikern über das düstere Thema DDR-Staatsdoping permanent trifft. Es sei "wirklich verantwortungslos, was Sport und Politik da machen".

Denn auch 25 Jahre nach dem Mauerfall ist die Situation der Betroffenen schwierig, und sie wird immer schlimmer. Vielen Opfern läuft aufgrund ihrer Folgeerkrankungen die Zeit davon. "Wir haben eine richtig lange Todesliste. Die Leute sterben", sagt Geipel. Bei der Beratungsstelle des DOH hätten sich seit einem Jahr 700 Betroffene gemeldet.

Viele Schicksale sind tragisch, die Spätfolgen dramatisch. Herzerkrankungen, Organschädigungen, Krebs, verstümmelte Eierstöcke, Fehlgeburten, behinderte Kinder. Dazu Schädigungen in der zweiten Generation und psychische Probleme.

Vor einigen Jahren gab es für die anerkannten Dopingopfer eine Einmalzahlung von einigen tausend Euro. Bei der Schwere der Erkrankungen war dies aber selten ausreichend. "Es muss eine Rente für die Opfer geben. Es war politisches Doping in der DDR", sagt Geipel. "Man will den Glanz und den Sieg und den Jubel. Und wenn die Athleten nicht mehr können, interessieren sie nicht mehr. Dann werden sie weggeworfen."

Vor zwei Wochen starb der ehemalige Gewichtheber Gerd Bonk, der in den 70er-Jahren zwei Olympia- und 13 WM-Medaillen geholt hatte, gezeichnet von jahrelanger Dopingmittel-Einnahme. Auch er war ein staatlich anerkanntes Dopingopfer. "Verheizt von der DDR, vergessen vom vereinten Deutschland", hat Bonk sein Leben beschrieben. (sid, red, DER STANDARD, 6.11.2014)