Frankfurt - Die Aussicht auf eine weitere Öffnung der Geldschleusen der Europäischen Zentralbank (EZB) hat die Anleger am Donnerstag euphorisiert. EZB-Chef Mario Draghi schickte Börsianern zufolge ein überraschend starkes Signal für weitere geldpolitische Lockerungen und lieferte den Aktienmärkten damit Rückenwind.
Dax und EuroStoxx50 zogen kräftig an: Der deutsche Leitindex legte in der Spitze um 1,6 Prozent auf 9467 Punkte zu, sein europäisches Pendant gewann bis zu 1,7 Prozent auf 3142 Zähler. An der Wall Street stieg der Dow-Jones-Index in den ersten Handelsminuten um 0,2 Prozent auf 17.515 Punkte und markierte dabei ein Rekordhoch. Der Euro brach hingegen um mehr als einen US-Cent auf 1,2398 Dollar ein und notierte damit so niedrig wie zuletzt im August 2012.
Ausweitung der Bilanzsumme
Draghi hatte gleich zum Auftakt der Pressekonferenz die Pläne zur deutlichen Ausweitung der Bilanzsumme der EZB bekräftigt und erklärt, dass der Rat in seinem Bekenntnis zu zusätzlichen unkonventionellen Maßnahmen (QE) einstimmig sei. "Die Jahresendrally kann damit starten, gesteuert durch die Notenbanken", sagte ein Händler. Nach den Geldgeschenken der Japaner stelle nun auch die EZB den Ankauf von Wertpapieren konkret in Aussicht. "Neu ist, dass die EZB nun eine Arbeitsgruppe gebildet hat, die weitere Maßnahmen vorbereitet. Die theoretische Möglichkeit wurde zwar diskutiert, aber jetzt ist klar, dass sie sehr bald einen Plan in der Schublade haben werden, der aktiviert werden kann. Draghi hat damit den Finger am Abzug", sagte Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann.
Der EZB-Chef hatte gleich zum Auftakt der Pressekonferenz die Pläne zur deutlichen Ausweitung der Bilanzsumme bekräftigt und erklärt, dass der Rat in seinem Bekenntnis zu zusätzlichen unkonventionellen Maßnahmen einstimmig sei. Nach Informationen von Reuters war die Kritik an Draghis Stil und manchen Alleingängen zuletzt lauter geworden. Die Leitzinsen ließ Draghi wie erwartet unverändert auf dem Rekordtief von 0,05 Prozent. Um der gebeutelten Konjunktur im Währungsraum auf die Sprünge zu helfen, kauft die EZB seit Oktober bereits Pfandbriefe und will als nächstes verbriefte Bankkredite erwerben. Damit hoffen die Währungshüter, die Kreditvergabe der Banken in der Euro-Zone anzukurbeln.
Keine Zinssenkung
Trotz der nach wir vor sehr niedrigen Inflation senkt die EZB den Leitzins im Euroraum nicht unter das Rekordtief von 0,05 Prozent. Von September auf Oktober war die Jahresteuerung im Euroraum leicht von 0,3 Prozent auf 0,4 Prozent gestiegen. "Das gibt der EZB Zeit, eine Pause einzulegen", erklärte UniCredit-Volkswirt Marco Valli. Allerdings liegt die Inflation noch immer deutlich unter der EZB-Zielmarke von knapp 2,0 Prozent. Auf diesem Niveau sprechen die Währungshüter von stabilen Preisen. Billiges Geld heizt üblicherweise die Inflation an.
Doch an der niedrigen Teuerungsrate dürfte sich trotz der seit Jahren anhaltenden Geldschwemme der EZB auch nach eigener Prognose der Notenbank so schnell nichts ändern: Für 2014 erwartet die EZB einen Anstieg der Verbraucherpreise um 0,6 Prozent. Für 2015 dann um 1,1 Prozent, 2016 schließlich um 1,4 Prozent.
Geschäftsbanken entlasten
Aktuell hofft Draghi, Geschäftsbanken über den Ankauf von Kreditpaketen (Asset Backed Securities/ABS) und Pfandbriefen entlasten zu können. Das soll den Instituten Freiräume für neue Darlehen verschaffen und so die lahmende Kreditvergabe in Schwung bringen. Die ersten Papiere sollen schon bald gekauft werden, wie Mario Draghi am Donnerstag mitteilte. Die EZB will so den stockenden Kreditfluss in Teilen der Euro-Zone in Schwung bringen.
Sogenannte ABS-Papiere dienen Banken zum Bündeln von Kredit-Risiken. Sie können diese damit aus der Bilanz auslagern und am Markt platzieren. Sie haben dann idealerweise mehr Mittel frei, um neue Darlehen an Firmen und Privatpersonen zu vergeben. Doch ABS gelten als heißes Eisen, da sie als Brandbeschleuniger der globalen Finanzkrise in Verruf geraten waren. Faule Papiere brockten Investoren damals hohe Verluste ein.
Der deutsche Ifo-Chef Hans-Werner Sinn und andere Kritiker des Programms sehen die EZB mit solchen Käufen auf dem Weg zu einer "Bad Bank". Die Ankäufe sollen zusammen mit anderen, bereits beschlossenen Geldspritzen für Banken die Bilanz der EZB kräftig aufblähen. (APA/Reuters, 6.11.2014)