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Die Ampel der Zukunft unterhält sich mit den Autos.

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Wien - Stellen Sie sich vor, es gäbe noch keine Ampel und Sie müssten diese jetzt erfinden. Welche Farbe würden Sie für "Stopp!" wählen, bei welcher Farbe würden Sie die Autos fahren lassen? Gut, so schwierig war das auch wieder nicht, denn es gab ja schon Beispiele für Signalanlagen, bevor diese den Straßenverkehr eroberten, etwa bei der Eisenbahn und noch davor in der Schifffahrt.

Jedenfalls dürfte ausgerechnet ein Polizist das Rot und Grün erfunden haben. Lester Wire aus Salt Lake City bastelte 1912 die erste Ampel aus Holz. Sie rief bei den Leuten mehr Verwunderung als Respekt hervor und endete der Überlieferung nach als Vogelhaus. Am 5. August 1914 ging dann tatsächlich die erste Ampel in Cleveland, USA, in Betrieb, vorerst noch ausschließlich in den Farben Rot und Grün. Aber aufgrund ihrer Funktionsweise kann man diesen Moment durchaus den Zeitpunkt der Erfindung nennen.

Dass die erste Ampel der Welt bereits am 10. Dezember 1868 in London aufgestellt worden war, wird nicht als Zeitpunkt der Erfindung anerkannt. Es handelte sich um eine Gaslaterne, die sodann auch explodierte und so dem Thema keinen guten Start verschaffte.

Aller guten Farben sind drei

Aber erst mit dem Gelb zwischen dem Rot und Grün kann man nun tatsächlich von einer Verkehrsampel im heutigen Sinn sprechen. Die dritte Farbe wurde 1920 von William L. Potts eingefügt, ebenfalls Polizist, Superintendent für Verkehrsanlagen in Los Angeles. Er war auch der Erste, der 15 Ampeln zu einer automatisch geregelten Anlage zusammenschloss. Rot für Stopp, Gelb für Achtung und Grün für freie Fahrt sollte fortan nicht nur den Verkehr, sondern im Grunde fast alle Lebensbereiche steuern.

Das große Geschäft mit der Erfindung der Ampel machte aber ein anderer, und die Geschichte wäre Stoff für einen guten Film: Garrett Morgan, geboren in Kentucky, Nachfahre von Sklaven, erhielt 1922 das Patent für eine Ampel mit Signalarmen. Zuvor hatte er bereits die Gasmaske erfunden, aber irgendwie auch nicht ganz allein, sie wird ebenso dem kanadischen Arzt Cluny MacPherson zugeordnet. Was die Geschichte von Garrett Morgan aber noch abrundet: Kurz vor seinem Tod erfand er aus Sicherheitsgründen die selbstauslöschende Zigarette.

Die erste Ampel in Wien wurde 1926 auf der Opernkreuzung installiert, bereits mit Rot, Gelb und Grün. Was jetzt so selbstverständlich erscheint, wurde aber noch lange von mehr oder weniger kuriosen Verbesserungsversuchen begleitet. Und eigentlich sind bis heute die Details der Lichtzeichen noch nicht einmal europaweit einheitlich geregelt. Wohl keine gute Grundlage für künftige, komplexere Verkehrsbeeinflussungsanlagen auf elektronischer Basis, wenn also demnächst Autos automatisch mit der Umgebung und mit anderen Autos kommunizieren sollen.

Heuer-Ampel

Die genaue Abfolge der Lichtzeichen beim Wechsel von Rot auf Gelb auf Grün und umgekehrt ist länderweise nach wie vor unterschiedlich, das grüne Blinken am Ende der Grünphase gibt es außer in Österreich zum Beispiel in China, Russland und etlichen Ländern des ehemaligen Ostblocks.

Dass Verkehr unbedingt mittels Lichtzeichen geregelt werden müsse, war auch jahrzehntelang nicht so klar. Bis in die 1950er-Jahre gab es in Deutschland, den Niederlanden und Österreich sogenannte Heuer-Ampeln, benannt nach dem deutschen Fabrikanten, Erfinder und Bergbaupionier Josef Heuer, übrigens weder verwandt noch verschwägert mit dem Schweizer Uhrmacher Edouard Heuer. Hier wurden Rot und Grün in der Anordnung einer Uhr angezeigt. Die letzte Heuer-Ampel wurde 1972 abmontiert.

Sie entsprach endgültig nicht mehr der Straßenverkehrsordnung. Der Vorteil: Man sah sehr schön, wie lange die Rot- oder Grün-Phase noch dauerte. Eine Variante davon sogar mit Gelb-Phase fand man von 1936 an bis in die 1970er-Jahre in Australien, nach ihrem Erfinder, Charles Marshall, Marshalite genannt.

Ampeln mit Autoritätsproblem

Anfangs hatten Ampeln ein Autoritätsproblem. Wie heute noch immer die Fußgänger und Radfahrer hielten sich seinerzeit auch die Autofahrer nicht gerne an das elektrische Licht. Die Ampel ist ein drastisches Beispiel dafür, dass oft schon einfache Regeln des Zusammenlebens strenge Sanktionen bei deren Verstoß voraussetzen.

Selbst wenn die Ampel bis heute noch nicht ganz fertig entwickelt ist, schließlich gelang es noch immer nicht, eine einheitliche Abfolge der Lichtsignale zu etablieren, drängen nun ganz massiv neue Regel- und Lenkungsmechanismen für den Automobilverkehr auf den Markt. Es geht nicht mehr nur darum, den Zusammenstoß zweier sich kreuzender Fahrzeuge zu verhindern, sondern auch darum, auf beschränktem Platz immer mehr Autos unterzubringen und den Verkehr dabei flüssig zu halten.

Sogenannte Verkehrsbeeinflussungsanlagen sollten mit wechselnden Geschwindigkeitsbeschränkungen den Verkehr daran hindern, frühzeitig zum Erliegen zu kommen. Doch was mit viel Aufwand während des vergangenen Jahrzehnts an Autobahnen an massiven Überkopfwegweisern montiert wurde, erscheint jetzt schon als Auslaufmodell. Immer öfter finden wir an ihren Flanken das Schild "Out of order".

Konkurrent Kreisverkehr

Im Gegensatz zu dieser kurzlebigen Sache mit den variablen Geschwindigkeitsbeschränkungen hat die Ampel immerhin ein Jahrhundert lang gut funktioniert. Doch jetzt bekommt auch sie Konkurrenz. Da ist zum einen der Kreisverkehr. In Großbritannien und Frankreich eine historisch gewachsene probate Methode, aufeinander zufahrende Autos neu zu sortieren, wird der Kreisverkehr nun auch bei uns zum beliebten Element neu geplanter Verkehrsflächen.

Er hat nur einen großen Nachteil. Er erweist sich als ziemlich gefährlich, sobald man auch Fußgänger und Radfahrer daruntermischt. Schwierig wird es auch mit der Flüssigkeit des Verkehrs, und die Missverständnisse unter den Verkehrsteilnehmern steigen sprunghaft, sobald mehrere Fahrstreifen in eine Richtung verlaufen.

Die Zukunft gehört der elektronischen Kommunikation zwischen den Fahrzeugen und mit der Infrastruktur. Die Forscher arbeiten eifrig an der intelligenten Kreuzung. Wurde in der Frühzeit der Ampeln das Lichtsignal zuweilen auch mit Befehlen aus einem Magnetofon untermalt, kommt die sprechende Verkehrsampel nun wieder. Diesmal geht es aber darum, direkt mit den Autos zu kommunizieren. Den Verkehrsreglern ist nämlich die Anfahrphase an der Ampel ein Dorn im Auge. Hier wird viel zu viel Zeit verschwendet. Im Zuge der Automatisierung des Autofahrens, die ja schon bis zum automatischen Fahren im Stop-and-go-Verkehr reicht, arbeiten Forscher bereits am automatischen, verzögerungsfreien Losfahren bei der Ampel. Und dafür benötigt man eine herstellerunabhängige Sprachregelung zwischen Autos und Ampeln. (Rudolf Skarics, DER STANDARD, 7.11.2014)