Rachat Alijew, Exbotschafter Kasachstans, sitzt in U-Haft in Wien. In eine Entscheidung über eine mögliche Anklage wegen Doppelmordes wird der Weisenrat des Justizministeriums eingebunden.

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Justizminister Wolfgang Brandstetter, ehemaliger Anwalt Alijews.

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Wien - Der Vorhabenbericht in der Causa Rachat Alijew liegt noch nicht im Justizministerium. Langt er dort ein, wird er aber "sehr dringlich abgewickelt", wie Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek dem Standard bestätigte. Wie berichtet, wird unter anderem wegen der mutmaßlichen Entführung und Ermordung zweier kasachischer Bankmanager sowie wegen Geldwäsche gegen den kasachischen Exbotschafter in Österreich ermittelt. Laut einer 14-seitigen Stellungnahme der Staatsanwältin soll es bei den Ermittlungen zum Mordverdacht eine "erdrückende Beweislage" gegen Alijew geben. Es gilt die Unschuldsvermutung. Alijew befindet sich seit Juni 2014 in U-Haft. Eine Entscheidung über eine Anklage wegen Doppelmordes könnte kurz bevorstehen. Sektionschef Pilnacek geht davon aus, dass diese noch im November fällt.

Befangenheit Brandstetters

Eingebunden in die Entscheidung wird, wie berichtet, auch der Weisenrat des Justizministeriums. Dieser wird dann aktiv, wenn eine Befangenheit von Justizminister Wolfgang Brandstetter vorliegen könnte. Alijew war bis 2011 ein Klient Brandstetters. Dieser hatte Alijew als Rechtsanwalt seit 2007 in verschiedensten Fällen vertreten. "Die Vertretung dieses Mandanten liegt schon Jahre zurück", ließ Brandstetters Büro ausrichten. In den heute in Österreich anhängigen Strafverfahren habe Brandstetter Alijew nie vertreten.

Ein heikles Schriftstück, das dem Standard zugespielt wurde, erhärtet aber den Verdacht, dass Brandstetter länger als bisher bekannt in die Causa Alijew involviert war. Eine an Alijew im Jänner 2014 - damals war der Kasache noch in Malta wohnhaft - adressierte Honorarnote der Kanzlei Ainedter & Ainedter listet penibel kostenpflichtige Aktivitäten des Teams um Alijews Anwalt Manfred Ainedter zwischen August 2013 und Jänner 2014 auf. Die Gründe für die Honorarnote an den Kasachen: "Verteidigung in den Verfahren beim LG für Strafsachen Wien".

E-Mails und Telefonate

Über die Aktivitäten am 7. August 2013 heißt es etwa: "Mail an [...] Brandstetter Wolfgang". Auch Konferenzen und Telefonate mit Brandstetter wurden angeführt und Alijew verrechnet. Insgesamt 19-mal kommt der Name Brandstetter in den Dokumenten in dieser Abrechnungsperiode vor. Zuletzt wurde von der Kanzlei vermerkt, dass in der Causa Alijew am 28. November 2013 eine Mail an Brandstetter geschickt wurde. Keine drei Wochen später war Brandstetter Justizminister.

Rechtlich ist dem Justizminister in der Causa Alijew nichts vorzuwerfen. Bisherige Äußerungen, Brandstetter habe mit dem Fall "vertretungsmäßig seit mehr als drei Jahren nichts zu tun" (ORF-Pressestunde, Juni 2014), erscheinen aber durch diese Dokumente in einem anderen Licht. "Dass es unter Kollegen, insbesondere wenn es vielfältige Berührungspunkte aus früherer Zusammenarbeit gibt, Kontakte geben kann, ist selbstverständlich", heißt es in einer Stellungnahme Brandstetters dem Standard gegenüber. "Die Frage, wie Anwaltskanzleien ihre Honorarnoten begründen, wäre an die jeweilige Kanzlei zu richten."

Manfred Ainedter wollte inhaltlich keine Stellungnahme zu den Honorarnoten abgeben. Er kündigte aber eine Strafanzeige unter anderem wegen des Verdachts auf "widerrechtlichen Zugriff auf ein Computersystem" an.

Vorwürfe gegen Alijew

Schwere Vorwürfe gegen Alijew erhebt erneut Akeschan Kaschegeldin, von 1994 bis 1997 Premierminister Kasachstans und aktuell Vorsitzender der oppositionellen Republikanischen Partei Kasachstans. Kaschegeldin, selbst in Kasachstan in Abwesenheit wegen Korruption und Steuerhinterziehung verurteilt, lebt im Exil in Großbritannien und ist laut Eigenangaben auf der Fahndungsliste von Interpol. Kaschegeldin fordert, dass Alijew in Österreich nicht nur wegen Mordes angeklagt wird, sondern auch wegen der angeblichen Misshandlung seiner Leibwächter (um eine Aussage gegen Kaschegeldin zu erzwingen) und wegen mutmaßlicher Geldwäsche. "Ich will, dass er vor Gericht kommt, egal wo", sagt Kaschegeldin dem Standard.

Kaschegeldin vermutet, dass Alijew 300 Millionen Euro versteckt hält. Alijew soll Immobilien in Österreich, Malta, Griechenland, Frankreich, Großbritannien und anderen Ländern besitzen. Kaschegeldin: "Ich bin überrascht, dass es noch keine EU-weite Taskforce gibt." (David Krutzler, Rosa Winkler-Hermaden, DER STANDARD, 7.11.2014)