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Neu im Amt, aber schon im Kreuzfeuer der Kritik: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker
Jean-Claude Juncker hat sich wohl etwas zu früh gefreut. Als er am Mittwoch nach der ersten offiziellen Sitzung der EU-Kommission in Brüssel vor die Presse trat, war er bester Laune. Mit viel Wortwitz zeigte er sich "völlig überrascht", wie positiv er und sein Team in den vergangenen Wochen beurteilt worden waren, vor allem in den Medien. Er wolle alles tun, um die hohen Erwartungen zu erfüllen, bitte die Journalisten darum, ihn "kritisch zu begleiten".
Tags darauf sah die Welt anders aus. "Mister Steueroase" sei rücktrittsreif, verkündete der deutsche Grüne und EU-Abgeordnete Sven Giegold unisono mit seinem österreichischen Kollegen Michel Reimon nach den ersten Zeitungsenthüllungen über Steuersparmodelle in Luxemburg. Für die SP gab Evelyne Regner zu Protokoll, dass es für Sozialdemokraten untragbar sei, dass Konzerne sich Milliarden an Steuern ersparen. Und auch die liberale Fraktion im Europaparlament mit ihrem Chef Guy Verhofstadt, der als früherer belgischer Regierungschef viele Steuerzuckerln für Firmenansiedlungen verteilt hatte, war sich einig: Eine derartige Praxis wie in Luxemburg sei inakzeptabel, wenn Klein- und Mittelbetriebe hohe Abgaben leisteten.
Probleme zum Start
Für den neuen Kommissionspräsidenten schien es also gleich zum Start politisch unangenehm zu werden. Er selbst hatte am Mittwoch betont, dass er nicht daran denke, sich in die seit längerem laufenden Verfahren der Kommission gegen Luxemburg, Malta oder Irland wegen deren Steuerpolitik bei Großkonzernen einzumischen. Die Kommission trifft die Entscheidung als Kollektiv und mit Mehrheit. Die Enthüllungen mögen politisch unangenehm sein: Persönlich wird an Juncker kaum etwas hängenbleiben.
So spektakulär es auch klingt, wenn politische Gegner des Christdemokraten behaupten, hier seien "hundert Milliarden Euro Steuern hinterzogen worden", so dürfte die Praxis, Firmen mit Steuervorteilen anzulocken, dennoch legal sein. Es steht jedem EU- Land frei, seine Steuerpolitik so zu gestalten, wie es will, da Steuern keine EU-Gemeinschaftsmaterie sind - zumindest nicht bei Unternehmens- und Einkommenssteuern.
Kommission ermittelt
Im Fall von Luxemburg stellt sich die Frage, ob ein Fall von unlauterem Wettbewerb vorliegt, ob Firmen ungerechtfertigte Vorteile erlangen konnten. Das Ermittlungsverfahren der Kommission richtet sich gegen die luxemburgische Regierung, nicht gegen einzelne Personen wie Minister oder Premier. Würde das Land belangt werden, müsste es Maximalstrafen zahlen, um den EU-rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen.
Spannend könnte die Frage werden, welche politischen Folgen eine Verurteilung für die künftige Steuerpolitik der Union als Ganzes haben könnte. Forderungen nach einem Eingreifen in Irland, Luxemburg oder Zypern würden bedeuten, dass die Union in die Steuersysteme aller Mitgliedsländer eingreift. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, 7.11.2014)