Wien - Österreich ist eines der letzten beiden Länder, in denen Prostituierte zu regelmäßigen Untersuchungen verpflichtet sind. Nur Griechenland hält auch noch an der umstrittenen Praxis fest und das auch nur alle zwei Wochen - in Österreich müssen registrierte Sexarbeiterinnen jede Woche zum Arzt.

Das könnte sich jetzt ändern: Dem Standard liegt exklusiv ein Antrag der Landesfrauenreferentinnenkonferenz an das Gesundheitsministerium vor, dass die gesetzliche Regelung überarbeitet werden soll. Im Wortlaut heißt es, dass "Beratungs- und Untersuchungsmöglichkeiten auf freiwilliger, anonymer, kostenfreier und niedrigschwelliger Basis" stattfinden sollen.

Der Antrag wurde erst in dieser Woche formuliert und an Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) übermittelt. Laut einer Sprecherin des Ministeriums wird er am 14. November von den Landesgesundheitsreferenten diskutiert.

Tabubruch

Eingebracht hatten den Antrag die Frauenreferentinnen Kärntens, allerdings mit der Intention die bestehende Pflichtuntersuchung weiter auszubauen. Nach längerer Diskussion habe man sich auf den Beschluss geeinigt, dass die Untersuchung in Zukunft freiwillig sein soll - bislang ein Tabu in Österreich.

Der plötzliche Wandel kommt nicht von ungefähr:Das Bundesland Salzburg hatte vier Jahre lang 35 Euro für die wöchentliche Pflichtuntersuchung verlangt und wurde dafür vom Rechnungshof gerügt. Seit Oktober ist klar, dass Betroffene die unrechtmäßigen Gebühren zurückverlangen können. Der "Schaden" für Salzburg beläuft sich auf bis zu einer Million Euro.

Angst vor Rückzahlungen

Auch in einigen anderen Bundesländern wie Oberösterreich, Tirol und der Steiermark müssen Prostituierte für das Gesundheitszeugnis zahlen, obwohl sie laut Finanzministerium gebührenbefreit sind - schließlich zahlen sie Abgaben. Angst vor möglichen Rückzahlungsforderungen dürfte die Debatte um ein Ende der umstrittenen Pflicht beschleunigt haben.

Bereits 2010 klagte das Sexworker-Forum Wien in einem Schattenbericht an die Uno über Verletzung der Menschenwürde durch die Pflichtuntersuchung. Auch die Weltgesundheitsbehörde äußerte ihre Bedenken.

In manchen Bundesländern sollen Frauen laut Augenzeugen aufgereiht und am Unterleib entblößt auf ihre Untersuchung warten müssen, ohne einen Sichtschutz dazwischen. Auch, dass in einigen Ländern Gebühren verlangt werden und in Wien etwa nicht, steht rechtlich auf wackligen Beinen.

Am Ende wird es wohl ein Kompromiss

Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass die verpflichtende Untersuchung sofort auf freiwillig umgestellt wird, zu groß ist der Widerstand der ÖVP. Die Salzburger Frauenreferentin Romana Rotschopf betont im Telefonat, dass zumindest über das wöchentliche Intervall diskutiert werden müsse und der Gesundheitsschutz für die Frauen erweitert werden soll.

Deutschland hat die Pflichtkontrolle bereits 2001 abgeschafft, eine Wiedereinführung wird aktuell wieder diskutiert. Beratungsorganisationen kritisieren das: Zum einen würden Freier sich dann nicht mehr schützen, und zum anderen erschwere es Sozialarbeitern den Zugang zu den Frauen. (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 7.11.2014)