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"Wir tun viel in unserem Leben, angetrieben durch Dopamin. Es motiviert zu allen erdenklichen Höchstleistungen", sagt Neurologie-Forscher Wulf Haubensak.

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4-(2-Aminoethyl)benzen-1,2-diol ist die Langbezeichnung von Dopamin.

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Seine Ursprünge reichen wahrscheinlich bis in die frühe Urzeit zurück, als das Leben noch einzellig war. Man findet es bei Quallen und Schnecken, Würmern und Schmetterlingen und in Pflanzen wie Bananen oder Spinat. Auch im menschlichen Gehirn ist es präsent.

Der Stoff hat offensichtlich Karriere gemacht. Was zur biochemischen Ausstattung so vieler unterschiedlicher Organismen gehört, muss ein evolutionäres Erfolgsmodell sein. Seine offizielle Bezeichnung lautet 4-(2-Aminoethyl)benzen-1,2-diol, aber jeder nennt es einfach nur Dopamin, ein Name, der Fantasie und Forschergeist anregt.

Viele Funktionen

Der schwedische Wissenschaftler Arvid Carlsson erkannte 1958 erstmals die Bedeutung von Dopamin als neurologisch aktiver Substanz und wurde hierfür im Jahr 2000 zusammen mit seinem Kollegen Paul Greengard mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Spätere Untersuchungen zeigten, dass viele Nervenzellen über spezielle Dopamin-Rezeptoren verfügen.

Inzwischen sind fünf verschiedene Typen solcher Anschlussstellen bekannt. Ihre Funktion ist anscheinend ähnlich wie jene von Spezialschaltern in der Elektronik. Wulf Haubensak, Forscher am Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien, nennt Dopamin ein neuromodulatorisches Signalmolekül. Das heißt: Der Stoff beeinflusst in erster Linie die Erregung von Nervenzellen und regelt so die Signalübertragung im Gehirn. Doch damit nicht genug. "Es hat sehr, sehr viele Funktionen", betont Haubensak. Die meisten davon sind noch nicht ausreichend erforscht.

Den Molekülen sieht man ihre komplexe Wirksamkeit nicht an. Sie bestehen je aus einem Benzolring mit drei kurzen Seitenzweigen. Nichts im Vergleich zu biochemischen Giganten wie den Proteinen. Als Grundstoff für die Dopamin-Synthese dient die Aminosäure Phenylalanin, ein häufiger Eiweißbaustein. Trotz seiner relativ geringen Größe ist Dopamin allerdings nicht in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden.

Die schwarze Substanz

Dementsprechend wird es auch direkt vor Ort im Gehirn produziert, hauptsächlich von spezialisierten Neuronen im Mittelhirn, darunter die sogenannte Schwarze Substanz, medizinisch "substantia nigra". Das dort freigesetzte Dopamin spielt als Neurotransmitter eine zentrale Rolle bei der Steuerung von Muskelbewegungen.

Parkinson-Patienten leiden unter einem fortschreitenden Schwund der "substantia nigra" und somit unter einem zunehmenden Dopaminmangel im Gehirn. Dadurch entstehen die berüchtigten Schüttelsymptome. In den Frühstadien der Krankheit lässt sich das Defizit medikamentös ausgleichen - durch Verabreichung von L-Dopa, dem chemischen Vorläufer von Dopamin. Es kann die Blut-Hirn-Schranke passieren und lässt sich leicht von Enzymen in den funktionsfähigen Botenstoff umwandeln.

Offene Fragen

Dopamin entsteht jedoch nicht nur im Kopf. Die sonderbare Substanz wird auch in den Nebennieren produziert, in der Bauchspeicheldrüse und sogar von weißen Blutkörperchen. Außerhalb des Schädels agiert der Stoff hauptsächlich als Hormon und greift so in Stoffwechselprozesse ein. Die Wissenschaft hat hier noch zahlreiche offene Fragen.

Auch über die Funktionen von Dopamin in Pflanzen ist noch nicht allzu viel bekannt. In einigen Fällen scheint es zur Verteidigung gegen Krankheitserreger zu dienen. Extrem hohe Dopamin-Konzentrationen finden sich zum Beispiel in Grünalgen der Gattung Ulvaria. Offenbar wehren die Meeresgewächse damit Schnecken und Krebse ab.

Im menschlichen Gehirn wird Dopamin oft als Belohnungsbotenstoff bezeichnet - eine Art körpereigene Droge, die Glücksgefühle auslöst. Die Wahrheit ist allerdings komplizierter. Die Produktion von Dopamin steht zwar tatsächlich mit positiven Erlebnissen, Zufriedenheit und Begeisterung in Verbindung, doch seine Funktion scheint vor allem bei der Bewertung der Umwelt zur Geltung zu kommen."

Gedächtnisverstärkender Effekt

Wenn etwas wichtig ist, dann merke ich mir das durch Dopamin", erklärt Wulf Haubensak. Ein unerwarteter Erfolg zum Beispiel führt zu besonders starker Ausschüttung des Neurotransmitters und hilft, dieses Ereignis in den Belohnungszentren des Gehirns zu speichern.

Der gedächtnisverstärkende Effekt scheint indes nicht nur dann zu greifen, wenn einem Gutes widerfährt. "Mittlerweile wird immer klarer, dass Dopamin auch bei negativen Ereignissen eine Rolle spielt", betont Haubensak. Deren Verarbeitung wird über Dopamin in negativ belegten Schaltkreisen gesteuert.

Die Ergebnisse von Tierversuchen haben aufgezeigt, dass eine Dopamin-Blockade in solchen Angstzentren zum Verlust einer sinnvollen Furchterlernung führt. Mit anderen Worten: Das Einprägen wichtiger Gefahrenquellen wird gestört.

Auch mit Drogen im Verbund

Das Funktionsspektrum von Dopamin zeigt sich auch in der Wirkung illegaler Drogen und mit Blick auf einige psychische Störungen. Kokain hemmt die Wiederaufnahme von Dopamin. Dadurch bleibt übermäßig viel des Neurotransmitters zwischen den Nervenzellen aktiv, was zu Erregungen führt.

Eine krankhaft bedingte Überproduktion von Dopamin hingegen spielt womöglich bei der Entstehung von Schizophrenie eine entscheidende Rolle. Dementsprechend werden den Betroffenen oft Präparate verabreicht, die gezielt Dopamin-Rezeptoren blockieren. Das Medikament Ritalin setzt man inzwischen bevorzugt zur Behandlung der Aufmerksamkeitsstörung ADHS ein. Es bremst den Abtransport von Dopamin aus dessen Wirkungsbereich. Das steigert offenbar die Konzentrationsfähigkeit.

So viel steht jedenfalls fest: Wenn die unscheinbaren Moleküle zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Dosierung auftreten, verleihen sie dem Menschen praktisch Flügel. Ohne sie wäre unsere Existenz nicht denkbar, Glück und Kreativität wären dann wohl nicht möglich. "Wir tun viel in unserem Leben, angetrieben durch Dopamin", meint Wulf Haubensak. "Es motiviert zu allen erdenklichen Höchstleistungen." (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, 6.11.2014)