Kulturzentrum Ischgl: Im Hang eingegraben lockt die Kultur, auf dem begrünten Dach grasen in der warmen Jahreszeit Kühe und Schafe.

Foto: Karl Heinz

Hotel Daniel Wien: Laut Jury ein "selten gesehener, respektvoller und sensibler Umgang mit der nicht besonders beliebten Architektur der Sechzigerjahre".

Foto: Atelier Heiss

Ischgl ist das, was man salopp als Opfer von Wintertourismus bezeichnen könnte. Das Ortsbild ist geprägt von Hotels, von aufgeblasenen Pseudo-Holzhäusern, sogenannten Lederhosen mit insgesamt 11.000 (!) Gästebetten, und das Ambiente ist fest in der Hand der Skifahrerinnen und Besucher. Seit letztem Jahr jedoch gibt es in der 1600-Seelen-Gemeinde, die von der Muse der Ästhetik und modernen Architektur bislang ungeküsst blieb, so etwas wie einen mustergültigen Hoffnungsschimmer. Das Innsbrucker Architekturbüro parc setzte mitten ins ohnehin schon viel zu voll bepackte Ortszentrum ein teils unterirdisches Kulturzentrum.

Am Donnerstag wurde das Projekt mit dem Staatspreis Architektur in der Kategorie "Freizeit" ausgezeichnet.

"In touristisch geprägten Regionen wird meist alles für den Touristen und nichts für den Einheimischen gemacht", erklärt Georg Pendl, einer von acht Juroren, die aus insgesamt 86 Einreichungen die heurigen Preisträger auswählten. Jene Projekte, die nominiert wurden und es in die zweite Stufe schafften, wurden sogar direkt vor Ort besichtigt. "Die Besonderheit an diesem Projekt ist jedoch, dass es gelungen ist, in einem städtebaulich längst schon implodierten Chaos so etwas wie einen hochwertigen, gestalterischen Ruhepol zu schaffen, der in erster Linie den Ischglern zur Verfügung steht."

Kein Dialog mit Lederhosen

Der in den Hang eingegrabene Bau umfasst diverse Vereinsräume, einen Musikproberaum, Büros und Verwaltung sowie Garderoben, Lagerräume und Sanitäranlagen. Die Architektursprache ist bewusst reduziert. Auf den Dialog mit den vielen Lederhosen will man sich gar nicht erst einlassen. Das Dach der Anlage, die direkt an den Dorfanger anschließt, wurde nach dem Bau begrünt und lockt in der warmen Jahreszeit - wenn die Touristen längst über alle Berge sind - Kühe und Schafe zum Grasen.

"Es geht uns mega", sagt Architektin Barbara Poberschnigg von parc. "Wir sind ein junges Büro, da war es schon eine Freude, dass wir für den Staatspreis überhaupt nominiert wurden. Und jetzt sind wir sogar Preisträger. Das ist gigantisch! Es ist schön, dass diese Form des Bauens in Tirol einen immer größeren Stellenwert einnimmt."

In der Kategorie "Tourismus" ging der Staatspreis an das Hotel Daniel in Wien. Der Bau, so Jurymitglied Pendl, steht stellvertretend für einen selten gesehenen, respektvollen und sensiblen Umgang mit der nicht besonders beliebten Architektur der Sechzigerjahre. Lange Zeit stand das 1962 errichtete Stahlbetonhaus mit Curtail-Wall-Fassade, das Georg Lippert und Roland Rohn für das Pharmaunternehmen Hoffmann-La Roche planten, leer. Bis sich schließlich der Grazer Hotelier Florian Weitzer und das Wiener Architekturbüro Atelier Heiss der Sache annahmen. "Es hat einiger Kunstgriffe bedurft, um die alte Bausubstanz technisch fit zu machen und an die heutigen Vorschriften und Anforderungen anzupassen, und das war nicht immer leicht", sagt Architekt Christian Heiss. "Es ist eine riesige Freude, dass unsere Bemühungen und auch die Vision des Hotelbetreibers mit dem Staatspreis belohnt wurden."

Sonderpreis für Krumbach

Und noch ein drittes Projekt hat es aufs Stockerl geschafft: Der Sonderpreis ging heuer an die sieben Bushaltestellen im Bregenzerwald, besser bekannt unter dem Namen "Bus:Stop Krumbach" (DER STANDARD berichtete).

"Das Niveau der Tourismusbauten steigt kontinuierlich", sagt Barbara Feller von der Architekturstiftung Österreich, die den Staatspreis biennal in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, der Wirtschaftskammer Österreich, der Gemeinnützigen Privatstiftung und der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten auslobt. "Es reicht nicht mehr, einfach nur ein Hotelzimmer und eine Seilbahnstation zu errichten. Sowohl Touristen als auch Einwohner werden zunehmend anspruchsvoller. Und das ist gut so." (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 8.11.2014)