Die offizielle Vertretung der (sunnitischen) Muslime in Österreich beschwert sich. Der Präsident der "Islamischen Glaubensgemeinschaft", Fuat Sanac, beklagt, das neue Islamgesetz, dessen Begutachtungsfrist soeben endete, sei verfassungswidrig. Es behandle die Muslime anders als andere Glaubensgemeinschaften; und es stelle die Muslime durch die ausdrückliche Aufforderung, sich an die österreichischen Gesetze zu halten, unter Generalverdacht.

Tatsächlich halten manche Juristen die Bestimmung, dass muslimische Institutionen (vor allem die Imame) nicht aus dem Ausland finanziert werden dürften, für eine Ungleichbehandlung.

Aber man muss sagen, dass nennenswerte Teile der muslimischen Gemeinschaften selbst Handlungen setzen, die Zweifel daran wecken, dass sie sich mit einem säkularen Staat und einer weitgehend säkularen Gesellschaft, wie sie in Österreich (und Europa) herrschen, wirklich abgefunden haben.

Das jüngste Beispiel ist die Errichtung einer "Imam Hatip"-Schule in Wien-Simmering. Diese staatlichen Schulen dienten in der Türkei hauptsächlich der Ausbildung von Geistlichen. Im Zuge von Recep Tayyip Erdogans Islamisierungspolitik wurden aber fast 700 normale Mittelschulen in Imam Hatips umgewandelt, so dass jetzt auch junge Leute, die nicht Imame werden wollen, hier intensiv in Koran, Leben des Propheten und Arabisch unterrichtet werden. In der Türkei besuchen inzwischen fast zehn Prozent der Schüler solche Imam-Hatip-Schulen.

In Wien-Simmering soll auf Türkisch unterrichtet werden. Schulträger ist die "Islamische Föderation", die österreichische Abteilung der nationalistisch-religiösen Milli-Görüs-Bewegung. Fuat Sanac steht Milli Görüs nahe.

Die meisten Imame in Österreich werden von der größten türkischen Vereinigung in Österreich, Atip, gestellt. Die Atip untersteht aber vollständig dem türkischen Staat, bzw. der Religionsbehörde Diyanet. Erziehung auf Türkisch und in einer unkontrollierten national-religiösen Abgeschiedenheit ist nicht das, was Österreich für seine jungen Einwohner und Staatsbürger für wünschenswert hält - und mit Recht.

Selbstverständlich gibt es in Österreich jede Menge anderer konfessionelle Schulen. Soweit die Religionsgemeinschaften anerkannt sind, zahlt aber der Staat die Lehrer, und zwar alle. Damit ist eine gewisse Kontrolle gegeben. Und der Prozess der Trennung von Staat, Gesellschaft und Kirche ist viel, viel weiter als etwa im Islam.

Eine Einrichtung wie die Imam Hatip in Simmering ist nicht geeignet, die Vorwürfe an die Muslime, vor allem aber an die türkische religiöse Community, zu zerstreuen, sie würden sich abschotten und eine Parallelgesellschaft aufbauen. Wobei Milli Görüs aus genau diesem Grund kein Öffentlichkeitsrecht will. Die Abschlüsse dort gelten dann nur in der Türkei.

Es ist auch ganz offensichtlich die Absicht des Islamgesetzes, diese Abschottungstendenzen zu unterbinden. Das Ziel ist richtig, ob das Gesetz dazu taugt, wird man sehen. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 8.11.2014)