Der Trabbie ist das Symbol für die Planwirtschaft der DDR. Auf neue Autos musste oft Jahre gewartet werden.

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Als "Wendeherbst" ging die zweite Jahreshälfte 1989 in die Geschichte ein. Mit dem Fall der Berliner Mauer 1989 und dem Zusammenbruch der Sowjetunion zwei Jahre später fiel auch die Planwirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik mit ihrer zentralen Lenkung und ihren Fünfjahresplänen.

Die Aufarbeitung dieser 40-jährigen Wirtschaftsgeschichte der DDR war lange Zeit kein großes Thema. Der Kapitalismus war das siegreiche System und der Gegenentwurf dazu, die Planwirtschaft sozialistisch-marxistischer Prägung interessierte nur wenige. "Das Interesse war einfach nicht da", sagt Katrin Rohnstock, die in Berlin sogenannte Erzählsalons organisiert. Zufall oder auch nicht, erst etwa 2010, mit der globalen Wirtschaftskrise, begann sich das Interesse an dem sozialistischen Wirtschaftsmodell wieder zu erwachen.

Buch in 4. Auflage

Rohnstock gibt seither Bücher zu dem Themenkreis heraus, so Die Kombinatsdirektoren. Jetzt reden wir. Darin erzählen die Leiter großer Industriekonglomerate wie dem VEB Gaskombinat Schwarze Pumpe (VEB stand für Volkseigener Betrieb) oder dem VEB Eisenhüttenkombinat, wie sie ihre Arbeit in dem sozialistischen System erlebten. Das Buch hat mittlerweile die 4. Auflage.

Nicht nur ist das Wissen über das DDR-Wirtschaftssystem 25 Jahre nach der Wende rudimentär. Auch gäbe es in der derzeitigen Finanz- und Wirtschaftskrise einiges von der DDR zu lernen, ist sich die Gesellschaftswissenschafterin und Politikerin Christa Luft sicher. Dass das Land total marode und pleite gewesen sei, dagegen verwehrt sie sich: "Das ist ein Pauschalurteil." Die DDR habe riesige Wirtschaftsprobleme gehabt, keine Frage. Aber im Rahmen des RGW (Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe, der Wirtschaftsorganisation sozialistischer Staaten) lag die DDR bei den Wirtschaftszahlen immerhin an erster Stelle.

145 Großbetriebe

War der Einäugigen also der König unter den Blinden? Nein, sagt Luft. Es gab Teile der Wirtschaft, die sich durchaus auf Augenhöhe zum Westen befanden: der Werkzeug- und Maschinenbau, Teile der Chemie- oder der Glasindustrie. Die VEB Carl-Zeiss-Jena wird gerne als Positivbeispiel angeführt. Es waren die Produkte dieser Kombinate, die auch reüssierten, Hartwährungen herbeischafften.

145 solcher Großbetriebe mit oft mehreren zehntausenden Mitarbeitern hatten das Land. Jedes Kombinat hatte seine genau definierte Aufgabe: etwa die Herstellung von Maschinen für die Papierproduktion oder die Herstellung von Papier selbst. In der Regel gab es nur ein Kombinat pro Produktkategorie und damit keine Konkurrenz. Art und Umfang der Produktion wurden von der mächtigen Staatlichen Plankommission festgesetzt. Die Fünfjahrespläne waren hierfür maßgeblich.

Mein Freund, der Plan

Schein und Sein klafften da schnell einmal auseinander, weshalb es das geflügelte Wort von "Mein Freund, der Plan", gab. "Der aus der Kombinatsbildung erwachsene Monopolismus behinderte die Produktivität", sieht der ehemalige Kombinatsdirektor Eckhard Nietzmann dies kritisch.

Um wie viel die ostdeutsche Produktivität gegenüber der BRD nachhinkte, ist beliebtes Diskursthema unter Wirtschaftshistorikern - war letztlich aber egal, denn die DDR-Bevölkerung wollte im Herbst 1989 nur noch eines: den Lebensstandard, den sie im Westfernsehen bewundern konnte.

Niedrige Produktivität

Als hemmend für die Produktivität erwies sich jedenfalls eine Eigenheit des sozialistischen Wirtschaftssystems, die man in Managementsprache mit "Insourcing" umschreiben könnte. Neben der eigentlichen Aufgabe der Kombinate, quasi ihrem Kerngeschäft, hatten die Betriebseinheiten viele weitere Aufgaben zu bewältigen, für die sie eigentlich nicht geschaffen waren und für die sie auch kein Know-how hatten: Transport, Logistik, Bau und Instandhaltung von Fabriksgebäuden - man musste sich alles selbst machen.

Denn nach der Logik der Planwirtschaft gab es keinen Markt mit seinen spezialisierten Anbietern für jedwedes nur vorstellbare Problem. "Das war Sozialismus wunderbar gedacht, aber die Unternehmen hatten dadurch eine niedrige Produktivität", erläutert Luft. Dass sich auch Schulen, Spitäler, Kindergärten, Kulturvereine unter dem Dach der großen Kombinate befanden, wird rückblickend als positiv gesehen. Solche sozialen Aufgaben von Wirtschaftseinheiten seien im Kapitalismus verlorengegangen und müssten jetzt von der Gesellschaft erbracht und finanziert werden.

Handelsbeschränkungen

Weitere Probleme erwuchsen den Betrieben in der DDR aus dem immer stärkeren Einsatz von Informationstechnologie, die meist aus dem Westen kam. Auch der eigentlich konkurrenzfähige Maschinenbau litt unter dem Fehlen moderner, computergestützter Werkzeuge.

In der Zeit des Kalten Krieges schützte der Westen diese Neuentwicklungen mit sogenannten "CoCom-Listen" über multilaterale Exportkontrollen. Die Listen regelten, welche Produkte und modernen Technologien nicht in die sozialistischen Länder exportiert werden durften. Das CoCom-Regime existierte bis 1994. Der Versuch der DDR, sich einen eigenen Mikrochip zu entwickeln, war teuer und schlug letztlich fehl. Außerdem sei in Ostdeutschland zu viel Forschung in die Rüstungsindustrie geflossen, das habe der zivilen Wirtschaft gefehlt.

Bauern konnten selbst entscheiden

Unter der fast totalen Zerschlagung der DDR-Wirtschaftsstrukturen - ein paar Jahre später gab es nur noch fünf ehemalige Großbetriebe - leide der Osten Deutschlands bis heute, bemängelt Luft: "Da, wo es keine Großunternehmen gibt, dort finden sich auch keine Mittelbetriebe", sagt sie und verweist auf die Landwirtschaft der ehemaligen DDR.

Die sei damals wie heute sehr effizient und wird damals wie heute in großen Einheiten geführt. "In der Landwirtschaft gab es keine Treuhand, die privatisiert und zerschlagen hätte. Vielmehr konnten die Betroffenen, die Bauern, selbst entscheiden." (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, 8.11.2014)