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Die neue EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, hier mit Israels Premier Benjamin Netanjahu am Freitag, rief zum Auftakt ihrer Nahost-Reise Israelis und Palästinenser zu Verhandlungen auf.

Foto: EPA/JIM HOLLANDER / POOL

Inmitten von Befürchtungen, dass die Unruhen in Jerusalem sich zu einer dritten Intifada, einem breit angelegten Palästinenseraufstand, hochschaukeln könnten, gingen die Gläubigen nach den muslimischen Freitaggebeten auf dem Tempelberg ohne Zwischenfälle auseinander. Zu relativer Beruhigung könnte die Versicherung von Israels Premier Benjamin Netanjahu beigetragen haben, dass der Status quo auf dem Tempelberg nicht verändert werde.

Der israelische Oberrabbiner Jizchak Josseff rief jüdische Gläubige dazu auf, nicht mehr auf den Tempelberg zu gehen, "damit kein Blut des jüdischen Volkes mehr vergossen wird" - die Besuche würden nur "Öl ins Feuer gießen". National gesinnte Politiker verlangen aber weiterhin, dass es auch Juden erlaubt werden soll, auf dem Tempelberg zu beten.

Josseff sprach beim Begräbnis eines 17-jährigen Israelis, der am Freitag seinen Verletzungen erlegen war. Ein Palästinenser hatte ihn und andere Passanten am Mittwoch an einer Straßenbahnhaltestelle in Jerusalem vorsätzlich überfahren. Bei dem Anschlag war auch ein Polizist getötet worden. Der Attentäter wurde von der Polizei erschossen. Weil er in palästinensischen Augen ein Held ist, kam es am Donnerstag in seinem Heimatviertel Schuafat wieder zu einer Straßenschlacht.

Punktuelle Eskalation

Vorläufig bleiben die Unruhen noch eher punktuell, doch manche sprechen von einer "Stadt-Intifada" oder einer "Auto-Intifada", weil es mehrmals Anschläge mit Fahrzeugen gegeben hat. An den Stationen von Jerusalems einziger Straßenbahnlinie, die immer wieder Ziel von Angriffen war, wurden Betonklötze aufgestellt, die die Wartenden schützen sollen.

Ausgelöst wurden die Unruhen von einer Kombination von Ursachen. Begonnen hatte alles schon im Juni, mit der Entführung und Ermordung von drei jungen Israelis und einem Rachemord an einem jungen Palästinenser. Zuletzt brachte aber vor allem wieder der Tempelberg das Blut ins Wallen.

Die Verwaltung der heiligen Stätte hat Israel 1967 einer muslimischen Stiftung überlassen, und nach der geltenden Regelung dürfen oben auf der Esplanade, wo der Felsendom und die Al-Aksa-Moschee stehen, nur Muslime beten. Rechtsgerichtete jüdische Politiker und Aktivisten wollen erreichen, dass es auch Juden gestattet wird, auf dem Tempelberg zu beten. Die Palästinenser sehen darin einen Angriff auf ihre Moscheen: Man müsse die Juden "mit allen Mitteln daran hindern, das Heiligtum zu betreten", sagte etwa Präsident Mahmud Abbas.

In dieser brisanten Situation traf Federica Mogherini in Jerusalem ein. Es müsse einen "neuen Start" in der Beziehung zwischen Israel und Europa geben, sagte die neue EU-Außenbeauftragte. Israelis und Palästinenser rief sie zu Verhandlungen auf: "Wenn wir uns auf der politischen Bahn nicht vorwärtsbewegen, werden wir immer wieder in die Gewalt zurückfallen." "Wir sind bereit zu direkten Gesprächen zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort der Welt", erwiderte Israels Außenminister Avigdor Lieberman.

Im Gazastreifen manifestierte sich der innerpalästinensische Machtkampf. Am Freitag explodierten Bomben an zehn Orten nahe Häusern und Autos von Fatah-Aktivisten. Beobachter vermuten, dass sie von der Hamas gelegt wurden - als eine Art Warnsignal vor den Zeremonien zum 10. Todestag von Jassir Arafat. (Ben Segenreich aus Tel Aviv, DER STANDARD, 8.11.2014)