Was der Nahe Osten jetzt am wenigsten braucht - neben einer neuen palästinensischen Intifada -, ist ein Iran, der nach gescheiterten Atomverhandlungen der internationalen Gemeinschaft völlig abhandenkommt. Momentan gibt es zwar kein offizielles Miteinander Teherans und der Anti-IS-Allianz gegen den "Islamischen Staat" (IS) im Irak, aber eben auch kein Gegeneinander. Das könnte sich ändern, falls am 24. November - der Deadline - die Atomgespräche zusammenbrechen.

Derzeit wird hart daran gearbeitet, das nicht geschehen zu lassen. US-Präsident Barack Obama, der nach sechs Jahren im Amt außenpolitisch mit ziemlich leeren Händen dasteht, ist dafür bereit, das zu sagen, was man in Teheran jahrelang verlangt und in Washington verweigert hat: dass der Iran ein Partner sein kann. Aber die Lage hat sich insofern geändert, als der Iran, der früher immer einen umfassenden Ansatz für Verhandlungen mit dem Westen wollte, heute nur eines will: seine Zentrifugen behalten.

Obamas nun bekannt gewordener Brief an den religiösen Führer des Iran, Ali Khamenei, kann nichts daran ändern, dass gewisse Eckpunkte eines Atomabkommens unverrückbar sind. Dazu gehört, dass der Iran nicht heute für einen Bedarf, den er erst morgen haben wird, angereichertes Uran produziert. Diese Prämisse ist flexibel genug, um einen Deal möglich zu machen - wenn der Iran, im Wissen, wie dringend Obama diesen will, nicht zu hoch pokert. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 8.11.2014)