"Seine" Musikkapelle aus Rohrbach spielte auch beim Parteitag in der Wiener METAStadt für ihn. Ab nun dirigiert Vizekanzler Reinhold Mitterlehner auch die Linie der ÖVP.

Foto: Robert Newald

Abschied nach "gefühlten zehn Jahren": Tatsächlich war Michael Spindelegger dreieinhalb Jahre ÖVP-Chef. Außer ihm waren noch die ehemaligen ÖVP-Obmänner Josef Pröll, Wilhelm Molterer, Wolfgang Schüssel, Josef Riegler und Josef Taus beim Parteitag anwesend.

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Wien - Andreas Khol hat in seinem politischen Leben in der ÖVP viele Obmänner kommen sehen - und gehen oder gegangen werden. Acht seit Josef Taus 1975. Reinhold Mitterlehner ist seit Samstag sein neunter und der 16. in der Geschichte der am 17. April 1945 gegründeten Volkspartei. Er bestieg den parteiinternen Thron mit einer Rede, die der Seniorenbundchef "unkonventionell und sehr unorthodox" lobte: "Die früheren Parteitagsreden war alle sehr pathetisch. Keiner hat so locker heruntergeredet und doch die wichtigen Positionen drin gehabt", sagte Khol im Standard-Gespräch.

Der Machtmanager Der lockere Plauderton ist typisch für Mitterlehners Machtpraxis. "Zuhören, das hab ich gelernt." Er weiß, wie und wo er Bonmots platzieren darf, biografische Details wie den 30 Jahre alten CV-Couleurnamen "Django" - wiewohl "selbst etwas unsicher wegen des Hypes darum" - als Marketinggag nutzen kann und wo er parteipolitische Duftnoten setzen muss, um sich nicht ins Beliebige zu verlieren - also für Freiheit, Leistung, Eigentum, Eigenverantwortung und die Erfindung eines seiner Vorgänger, Josef Riegler, die ökosoziale Marktwirtschaft. Und gegen den "Vollkaskostaat".

Dozieren, vielleicht noch ideologisch gepanzert, ist seine Sache nicht. Dafür verwendet er gern sperrige Wörter wie "prozessorientiert" und streut am Parteitag den "Promotorenprozess" ein als Erfolgsmodell, "wie man Veränderungsprozesse erfolgreich umsetzt": mittels "Macht-, Sach- und Sozialpromotoren, die implementieren und integrieren". Die Macht macht er, und "die Sozialpartner sollen Sach- und Sozialpromotoren spielen": Der Wirtschaftskämmerer versteht und inszeniert sich als pragmatischer Macher. Wer als Sozialpartner groß wird, bleibt auch ein Sozialpartner, wenn er groß ist. Er kennt die Gewinnrenditen dieses Politikverfahrens - und die Spielregeln.

Der beflügelnde Gegner In seiner Rede vermied der mit 99,1 Prozent gewählte neue ÖVP-Chef direkte Attacken oder aktive Angriffspläne, die kommen werden und müssen - aber Mitterlehner weiß zu gut, dass er bis zur Wahl noch fast vier Jahre mit der SPÖ regieren muss oder soll. Da bleibt genug Zeit für Streit und (Wahl-)Kampf. Ein Gegner aber lag wie eine unsichtbare Rauchschwade über dem Parteitag. Die Neos wurden mehrfach adressiert, ohne dass der Name auch nur einmal ausgesprochen worden wäre. Den Delegierten genügten Andeutungen: "Flügelnde" Armbewegungen oder Wortspiele mit "Rauchzeichen" reichten nach der jüngsten Cannabis-Legalisierungsoffensive der Pinken.

Der Vorgänger Bei der Verabschiedung von Michael Spindelegger, dessen entnervter Rückzug die jetzige Wahl überhaupt notwenig gemacht hatte, sah es so aus, als würde die ÖVP-Basis ihre Obmänner immer dann am meisten lieben, wenn sie sie los wird. Spindelegger ging gut gelaunt und "stolz und glücklich" nach dreieinhalb Jahren als ÖVP-Chef: "Gefühlt waren es mindestens zehn Jahre. Die ÖVP war, ist und bleibt meine Partei." Standing Ovations.

Von der Bühne aus hatte der neue ÖVP-Boss eine Art innerparteiliches Machttriptychon vor sich: in der Mitte seine neue Stellvertreterriege, fein bündisch austariert: Innenministerin, ÖAAB-Chefin und, nicht unwichtig, Niederösterreicherin Johanna Mikl-Leitner, EU-Abgeordnete und Bauernbündlerin Elisabeth Köstinger, Außenminister und JVP-Chef Sebastian Kurz sowie Klubchef, ÖAABler und, auch wichtig, Steirer, Reinhold Lopatka. Links seine Vorgänger. Neben Josef Taus, Josef Riegler, Wilhelm Molterer, Josef Pröll und Michael Spindelegger auch "unser Bundeskanzler", wie Mitterlehner Wolfgang Schüssel begrüßte: "Deine Anwesenheit ist auch ein Statement." Langer, lauter Applaus der Delegierten. Schüssel wurde mit dem Satz "Wenn wir Dritte werden, gehen wir in Opposition" berühmt - und Kanzler.

Die Aufpasser Auch, weil zu seiner Zeit für den rechten Flügel im Saal immer klar war, wer der Oberchef ist. Dort residierten die Landeshauptmänner. An der Spitze Niederösterreichs Erwin Pröll, neben ihm Josef Pühringer aus Oberösterreich, dann der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer, der vor der Wahl ein "politisches Psychogramm" des neuen Obmanns zeichnete: "Kein Floskelfabrikant", sondern ein Basisarbeiter, der bis heute Bezirksparteichef in Rohrbach sei. Mitterlehner verriet dann ein "kleines Geheimnis": Er selbst habe Haslauer gebeten, den Wahlvorschlag einzubringen: "Er ist aus der Position des Zweiten Erster geworden." Im Klartext: "Es geht, wenn man will." Er will. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, 10.11.2014)