Wien - Die österreichische Politik und die Regelungen für Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) - das ist eine wechselhafte Geschichte. Im Sommer 2013 erblickte die "GmbH light" das Licht, bei der das für die Haftung relevante Mindestkapital von 35.000 auf 10.000 Euro gesenkt wurde. Um Unternehmensgründungen zu erleichtern, wie der damalige ÖVP-Parteichef Michael Spindelegger und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner nicht müde wurden zu betonen.

Die Erleichterung galt freilich auch für bestehende Gesellschaften, die die Einladung zur Kapitalherabsetzung und steuerfreier Ausschüttung dankbar annahmen. Per März 2014 kam dann - mit unüberhörbarer Begleitmusik - der Kurswechsel. Das geringere Kapitalerfordernis hatte auch die Einnahmen aus der Mindestkörperschaftsteuer geschmälert, Spindelegger sah sich trotz heftigen Widerstands der Wirtschaftskammer zur Reparatur veranlasst: Seither gelten die 10.000 Euro nur noch für Neugründungen, davon muss die Hälfte in bar vorliegen. Nach zehn Jahren hat das Stammkapital auf 35.000 Euro zu steigen (wiederum zu 50 Prozent in Cash). Das sogenannte Gründungsprivileg gilt aber nicht für die Mindeststeuer, die von den 35.000 Euro berechnet wird und somit 1750 Euro im Jahr ausmacht.

Gleichheitsgrundsatz

Nicht nur die Wirtschaft hat die Erschwernis für Gründer kritisiert, auch Juristen äußerten Zweifel an der Tauglichkeit des Gesetzes. Das landet nun beim Verfassungsgerichtshof: Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat den Höchstrichterkollegen die GmbH-Regelungen vorgelegt und die Aufhebung der heuer eingeführten Änderungen beantragt. Er schließt sich dabei dem Antragsteller Thomas Bachner an, Assistent am Institut für Unternehmensrecht der Wirtschaftsuniversität Wien, der eine GmbH mit 10.000 Euro Stammkapital eintragen wollte und durch die Instanzen zum OGH kam.

Bachner beruft sich auf den Gleichheitsgrundsatz. Dessen Verletzung ergebe sich v. a. dadurch, dass derzeit drei verschiedene GmbH-Regime mit den entsprechenden unterschiedlichen Regelungen in Bezug auf Stammkapital und Besteuerung existieren, was die Expertin Helene Herda als "Sündenfall der Gesetzgebung" bezeichnete. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz blieben auf der Strecke, so die Assistentin am Institut für Unternehmensrecht an der Uni Linz.

Gründungsprivileg

Das gelte insbesondere für jene Gesellschaften, die 2013 nach Inkrafttreten der vorigen Regelung das Kapital herabsetzten, acht Monate später bereits von der höheren Mindestkörperschaftssteuer betroffen sind. Zudem seien Betriebe, die ein Stammkapital von 35.000 Euro aufweisen, benachteiligt, die weder das Kapital herabsetzen noch das Gründungsprivileg in Anspruch nehmen können, bestätigt der OGH in seinem Antrag die "bedenkliche Ungleichbehandlung". Er bezweifelt auch die sachliche Rechtfertigung dafür, dass begünstigte Jungunternehmer das Mindestkapital nach zehn Jahren auffüllen müssen.

Bachner bezweifelt zudem, dass höheres Stammkapital mit besserem Gläubigerschutz verbunden ist. Erstens schafften es auch andere EU-Länder, GmbHs weniger oder gar kein Kapital vorzuschreiben. Zweitens stünde das Stammkapital im Ernstfall ohnehin nur eingeschränkt zur Verfügung, weil es in Anlagen stecke oder gar als Darlehen vergeben worden sei. Und: In der Praxis hafte der Gesellschafter bei der Bank ohnehin mit seinem Privatvermögen.

Wirre Verhältnisse

Auch der OGH hat hier Bedenken und verweist auf die Begründung des Gesetzgebers bei der Schaffung der "GmbH light": Das Mindeststammkapital könne Gläubigerschutzzwecke nur eingeschränkt erfüllen, hieß es. Daher kritisiert das Höchstgericht: "Es ist in der Tat nicht zu sehen, dass sich bereits acht Monate nach Inkrafttreten ... die Verhältnisse so grundlegend geändert hätten." Der OGH hat beantragt, die Regelung von Mitte 2013 und damit die "GmbH light" samt Möglichkeit zur Kapitalherabsetzung steuerlichen Entlastung) wiederherzustellen. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, 10.11.2014)