2,25 Millionen Katalanen von den geschätzten 5,4 Millionen Wahlberechtigten nahmen an der Abstimmung teil.

Foto: emilio morenatti

Madrid/Barcelona - Bei der inoffiziellen Volksbefragung in Katalonien haben sich mehr als 1,6 Millionen Menschen für die Abspaltung ihrer Region von Spanien ausgesprochen. Das gab die katalanische Regionalregierung in der Nacht auf Sonntag nach Auszählung von 88,4 Prozent der Stimmen bekannt.

Demnach nahmen insgesamt 2,25 Millionen Katalanen von den geschätzten 5,4 Millionen Wahlberechtigten an der Abstimmung teil. Da es bei der Abstimmung keine Wählerverzeichnisse gab und die Zahl der Stimmberechtigten nicht genau feststand, war der Prozentsatz der Beteiligung unklar.

Streit um Wahlbeteiligung

Gemessen an den 5,4 Millionen Wahlberechtigten von 2012 betrug die Beteiligung knapp 42 Prozent. Zählt man aber die in Katalonien gemeldeten Ausländer und die 16- und 17-Jährigen hinzu, die beim Referendum ebenfalls stimmberechtigt waren, verringert sich der Wert auf etwa 36 Prozent. Das Madrider Statistikamt geht von 6,2 Millionen Wahlberechtigten aus, wodurch die Beteiligung nur bei 35,9 Prozent läge.

Die Teilnahme an der Befragung überstieg aber jedenfalls die die Erwartungen der Initiatoren: diese wollten mindestens 2,1 Millionen abgegebene Stimmen erreichen. So viele Wähler hatten bei der Regionalwahl 2012 für die separatistischen Parteien gestimmt .

Inoffizielle Befragung

Bei der vom spanischen Verfassungsgericht untersagten Befragung votierten nach einer vorläufigen Auszählung 80,7 Prozent der Teilnehmer dafür, dass Katalonien einen eigenen Staat bilden und sich von Spanien abspalten sollte. 10,1 Prozent sprachen sich für die Bildung eines katalanischen Staates aus, der aber weiterhin zu Spanien gehören sollte. 4,6 Prozent votierten gegen die Unabhängigkeit.

Die Stimmberechtigten über 16 Jahren konnten sich gegen Vorlage ihrer Personalausweise an der Befragung beteiligen. Sie konnten zwei Fragen beantworten: "Wollen Sie, dass Katalonien einen Staat bildet? Wenn ja, soll dieser Staat unabhängig sein?"

"Gigantischer Schritt"

Da Gegner der Befragung den Boykott des Votums bereits angekündigt hatten, war die große Zustimmung der Wähler keine Überraschung. Die hohe Wahlbeteiligung ließ den nationalistischer Ministerpräsident Kataloniens (CiU), Artur Mas, und seine Anhänger am Sonntagabend schon jubeln. "Das ist ein gigantischer Schritt, um schon bald mit allen demokratischen Garantien selber über unsere Zukunft zu entscheiden", erklärte Mas mit Blick auf ein zukünftiges Unabhängigkeitsreferendum. Zudem bat er die "Welt" bei der Durchsetzung einer solchen Abstimmung um Unterstützung. "Wir verdienen eine rechtlich akzeptierte Volksabstimmung."

Auch seine Anhänger sehen die Unabhängigkeitsbestrebungen durch das Votum gestärkt. "Das ist ein riesiger Erfolg. Das Ergebnis ist zwar nicht bindend, aber auf jeden Fall bedeutet es ein politisches Mandat. So einen massenhaften Ruf nach Unabhängigkeit in einem Land mit 7,5 Millionen Einwohnern kann die spanische Regierung nicht länger ignorieren", meint Jaume Marfany, stellvertretender Vorsitzender der separatistischen Bürgerbewegung ANC.

Madrid stufte die inoffizielle Volksabstimmung jedoch als "wertlos" ein. Nach Ansicht des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy (PP) war die Abstimmung "weder ein Referendum noch eine aussagekräftige Befragung". Auch das Ergebnis erkennt Madrid nicht an, da die Auszählung keiner demokratischen Kontrollmechanismen unterlag.

Seine Regierung hatte wie bereits zuvor das geplante Unabhängigkeitsreferendum auch die am Sonntag durchgeführte Volksbefragung vom Verfassungsgericht verbieten lassen. Madrid tolerierte die Befragung jedoch, da die nationalistische Regionalregierung von Mas sich schließlich nicht mehr an der Durchführung beteiligte. Mas überließ diese rund 40.000 Freiwilligen. Die Regionalregierung zählte lediglich die Stimmen aus und verkündete das Ergebnis.

Staatliche Einrichtungen

Dennoch leitete die Staatsanwaltschaft auf Geheiß des Madrider Generalstaatsanwalts Ermittlungen ein, ob das Öffnen von Schulen und anderen staatlichen Einrichtungen für die Stimmabgabe einen Verstoß gegen die Entscheidung des Verfassungsgerichts darstellte. Am Sonntag zeigten auch verschiedene Parteien Mas wegen der Beteiligung der Regionalregierung an der verbotenen Befragung wegen zivilen Ungehorsam und Amtsmissbrauch bei der Polizei.

Die Stimmabgabe verlief unterdessen ohne größere Zwischenfälle. Die mehr als 1.300 Wahllokale in der Region seien wie geplant geöffnet worden, teilte die Regionalregierung mit. Vor vielen Stimmlokalen bildeten sich lange Warteschlangen. Prospanische Gruppierungen hatten in einzelnen Orten bei der Justiz den Antrag gestellt, die illegale Befragung zu stoppen und die Urnen sicherzustellen. Die diensthabenden Richter lehnten die Anträge mit der Begründung ab, dass dies unverhältnismäßig wäre. (red, APA, 10.11.2014)