Eigentlich dürfte Wikipedia gar nicht existieren: Dass sich zigtausende Nutzer weltweit zusammenschließen, um ohne Bezahlung Inhalte zu erstellen, die wiederum von unbezahlten Administratoren kontrolliert werden, widerspricht gängigen ökonomischen Theorien. Vor allem, wenn das Produkt ein solcher Erfolg wird: Wikipedia gilt als sechstgrößte Website und weist pro Monat rund 20 Milliarden Pageviews auf.
Immer erreichbar
Wie Stephen Lurie in einer längeren Reportage auf Medium.com zeigt, stehen an der Spitze der Wikipedia-Hierarchie lediglich 36 Nutzer. Sie sind Super-User und verfügen über umfassende Rechte: Dürfen also Seiten in allen Wissensbereichen editieren und andere Nutzer degradieren. Damit gehen Pflichten einher: Die "Steward" gennanten Super-Nutzer sollen möglichst immer erreichbar sein, reguläre Nutzer können sie etwa über den Befehl "!steward" im IRC-Chat erreichen.
Durchschnittlich 3,6 Sprachen
Die Stewards verfügen über eine beeindruckende Diversität: Im Durchschnitt sprechen sie 3,6 Sprachen; die 36 Super-Nutzer stammen aus 22 Ländern, die quer über den Globus verteilt sind. Auch das Alter variiert stark. Der einzige Faktor, der die Vielfalt der Stewards einschränkt: Das Verhältnis Männer zu Frauen ist 35:1.
Spaß und Interesse
In Gesprächen mit Medium.com machen die Administratoren deutlich, dass sie jede Form der Bezahlung überwiegend ablehnen. Interesse und Spaß sollen die Motive für die Tätigkeit bleiben. Das "Wunder Wikipedia" wird daher gern von den verschiedensten politischen Strömungen für sich beansprucht: Libertäre und Anarchisten sehen das Fehlen einer zentralen Autorität als Erfolgsfaktor, Kapitalisten nehmen Anleihen für Konzepte wie Eigenmotivation und Ausgleich, während Sozialisten die Gleichberechtigung der tausenden Nutzer hervorheben.
Community ist Schlüsselfaktor
Denn auch die Stewards sehen sich im Grunde als ganz normale Wikipedia-Nutzer. "Der Schlüssel zu Wikipedia ist die Community", so ein Steward zu Medium.com; "wir sind nicht wichtiger als reguläre Nutzer". (fsc, derStandard.at, 10.11.2014)