Wien - Zwei ehemalige Polizisten sprechen in einen Strauß Mikrofone. Sie schildern ihre Version des Falles Bakary J., der laut rechtskräftigen Urteilen am 7. April 2006 in einer Lagerhalle schwer misshandelt worden ist. Die Atmosphäre bei der Pressekonferenz ist angespannt, Zwischenfragen sind unerwünscht oder werden oft nur knapp beantwortet: "Das wird Gegenstand des Verfahrens sein", heißt es mehrmals.
Wenn es überhaupt ein neues Verfahren gibt: Vor kurzem wurde am Landesgericht Wien der Antrag von drei Ex-Polizisten auf Wiederaufnahme des Verfahrens eingebracht. Er wird von der Staatsanwaltschaft geprüft.
Die beiden aus dem Dienst entlassenen Wega-Beamten wurden - wie ein weiterer ehemaliger Polizist - rechtskräftig zu acht Monaten bedingter Haft verurteilt. Laut Urteil - das seit 2011 als getilgt gilt - haben sie den Gambier Bakary J. in einer Lagerhalle geschlagen und massiv verletzt: Ihre Geständnisse seien unter großem medialem Druck entstanden, sagt die Rechtsanwältin der Ex-Polizisten, Maria Zehetbauer. Sie hätten sich vorverurteilt gefühlt, und ihnen seien mildere Strafen in Aussicht gestellt worden.
"Wäre nicht in die Halle gefahren"
Die beiden Beamten geben am Montag zwar zu, in die Lagerhalle gefahren zu sein, das hätten sie aber lediglich getan, um J. zu fixieren, der im Polizeiauto handgreiflich geworden sei. Übergriffe bestreiten sie. Ob sie einen Fehler machten? "Ich wäre aus heutiger Sicht nicht in die Halle gefahren", sagt einer der beiden.
Ein vierter Beamter - er ist weiter Polizist und versieht Innendienst - der damals auch dabei war und sechs Monate bedingter Haft ausfasste, hat sich den aktuellen Gerichtsbemühungen nicht angeschlossen.
Hohe Schadenersatzforderungen
Der Zeitpunkt des Wiederaufnahmeantrags ist kein Zufall: Anwältin Zehetbauer gibt zu verstehen, dass die Beamten "mit hohen Schadenersatzforderungen" konfrontiert seien. J.s Anwalt Nikolaus Rast fordert in einer Amtshaftungsklage 375.000 Euro und monatlich 1000 Euro Pension für seinen Mandanten - zusätzlich zu 110.000 Euro, die J. bereits überwiesen wurden. Das Innenministerium hat angekündigt, die Entschädigung bei den beteiligten Beamten regressieren zu wollen.
Bei ihren juristischen Anstrengungen klammern sich die Polizisten an ein Gutachten des pensionierten Chirurgen Georg Kobinia. Dieser erläutert am Montag ausführlich und mit an die Wand projizierten Auszügen aus dem Strafakt, welche "Widersprüche" er im medizinischen Gutachten über J.s damaligen Zustand sieht.
Zeitpunkt der Brüche hinterfragt
Die Dokumentation der Verletzungen im Gesicht J.s sei entweder "extrem fahrlässig gemacht" worden - oder die Knochenbrüche seien erst später aufgetreten, sagt er. Die beiden Mediziner, die J. als Erste untersuchten, hätten keinen Bruch festgestellt, sondern erst eine Gerichtsmedizinerin, die den Gambier später sah. Allerdings muss Kobinia zugeben, dass eine dünne Bruchlinie auch übersehen worden sein könne.
Dass die Risse in den Gesichtsknochen durch einen Schlagstock oder durch Überfahren entstanden sein könnten, hält er nicht für möglich. Und er wirft die Frage auf, warum das von J.s Frau aufgenommene Foto, das den Mann mit dick zugeschwollenem Auge zeigt, nicht sofort in den Polizeiakt Eingang fand. J.s Anwalt Rast erwägt, wegen der Veröffentlichung medizinischer Details eine Anzeige nach dem Datenschutzgesetz einzubringen. Rast hat auch Verleumdungsklage eingebracht, da sein Mandant öffentlich als Lügner dargestellt werde. (Gudrun Springer, DER STANDARD, 11.11.2014)