Innsbruck/Kiruna - Aufgrund des intensiven Eisenerz-Bergbaus droht das Zentrum von Schwedens nördlichster Stadt im Erdboden zu versinken. Kiruna wird daher in den kommenden Jahrzehnten um einige Kilometer Richtung Osten verlegt. Im Rahmen eines EU-Projekts arbeiten Tiroler Umwelttechniker an Modellen, um auch die Wasserversorgung der 18.000-Einwohner-Stadt möglichst reibungslos mitzuübersiedeln.

Der Bergbau ist einerseits der Grund für die Notwendigkeit des Umzugs, andererseits stellt er auch die Ressourcen bereit, um etwas so Aufwendiges wie die Verlegung von Teilen der Stadt überhaupt zu realisieren. Wären die Erlöse aus dem Erzabbau nicht so hoch, würde Kiruna irgendwann womöglich einfach aufgegeben, erklärte Wolfgang Rauch vom Arbeitsbereich Umwelttechnik am Institut für Infrastruktur an der Univerität Innsbruck. Beispiele aus der Forschung für eine derartige Übersiedelung einer ganzen Kleinstadt sind dem Experten nicht bekannt. "Deshalb ist es ja so interessant, hier mitzuarbeiten", so Rauch.

Konzepte für neue Wassernetzwerke

In den nächsten Jahrzehnten werden wichtige Teile der Stadt sukzessive wandern, das erfordert natürlich auch den Neubau des Wasserleitungs- und Abwasserkanalsystems. Im Rahmen eines von der EU geförderten Projekts namens "Green/Blue Infrastructure for Sustainable, Attractive Cities" entwickeln die Techniker in Kooperation mit der Technischen Universität Lulea (Schweden) Konzepte für die Wasserinfrastruktur. Diese fließen schon seit einiger Zeit in die Überlegungen der Gemeinde Kiruna und der zuständigen Ingenieursbüros ein. "Die Gemeinde ist in unserem Projekt als interessierter Begleiter dabei. Wir hoffen, dass sie unsere Erkenntnisse dann auf ihre direkten technischen Planungen anwenden", sagt Rauch.

Einfach verlegen könne man ein solches Netzwerk nicht, erklärt der Wissenschafter. Auch ein Anstückeln eines neuen Systems an Strukturen des alten funktioniere etwa hinsichtlich der Kapazitäten der Leitungen nicht. In diesem speziellen Fall komme der Frage, wann der richtige Zeitpunkt zur Neuverlegung einer Leitung gekommen ist, besondere Bedeutung zu. Die Nutzung der Wohn-, Verwaltungs- und teilweise historischen Gebäude sollte nämlich trotz des Umzuges möglichst nicht unterbrochen werden.

Mathematische Modelle

Hier sei eine spezielle Kompetenz der Innsbrucker Forscher gefragt: die Analyse von bestehenden Strukturen und vor allem die Simulation von Veränderungen eines Wassersystems mit mathematischen Modellen. "Wir beschäftigen uns intensiv mit dem Verhalten solcher Netzwerke im Laufe der Stadtentwicklung, aber auch hinsichtlich der Auswirkungen von Veränderungen im Klima", so der Forscher.

Besonders interessiert die Wissenschafter dabei, wie in herkömmliche Strukturen Systeme eingebaut werden können, die etwa dazu dienen, wenig verschmutztes Abwasser nicht abzuleiten, sondern weiter zu nutzen. Auch im Forschungsprojekt zu Kiruna stehe die Entwicklung von Vorschlägen zur Umsetzung einer nachhaltigen Infrastruktur im Vordergrund. (APA/red, derStandard.at, 10.11.2014)