Befragt man Mitarbeiter, aber auch Führungskräfte, welche Personen auf ihre Leistungserbringung Einfluss nehmen, ergibt sich, dass die unmittelbaren Chefs ungefähr gleich hohen Einfluss haben wie die Kollegen und die Kunden bzw. anderen Personen, für die man tätig ist. Dies ergaben Befragungen unter Studierenden in berufsbegleitenden FH-Masterstudiengängen. Die Ergebnisse waren sowohl bei Public Management wie im Bereich der Sozialarbeit ziemlich ähnlich, wiewohl im öffentlichen Sektor traditionellerweise Hierarchie einen hohen Stellenwert hat, bei Sozialarbeitern hingegen Teamarbeit.

Was bedeutet das? Zunächst ergibt sich ein weiterer Beleg dafür, dass wir uns im "postheroischen Management" (© Dirk Baecker) befinden, das Bild von Führungskräften als einsamen Helden an den Schalthebeln der Macht also überkommen ist. Dies kann aber nicht so interpretiert werden, dass Führung neben anderen Faktoren nur eine leistungsrelevante Komponente neben einer Reihe anderer Faktoren darstellt.

Staubige Winkel

Es bedeutet vielmehr, dass es nicht nur Aufgabe von Führungskräften ist, ihre Mitarbeiter zu führen. Sie müssen auch darauf achten, dass der Sozialkörper ihres Verantwortungsbereiches eine förderliche Einheit darstellt, also ihre Mitarbeiter darin bestärken, sich gegenseitig zu unterstützen, aber auch bei auftretenden Spannungen Konfliktmanagement betreiben.

"Teile und herrsche" mag für Fürsten in der Renaissancezeit gegolten haben. In der modernen Arbeitswelt kann man persönliche Machtbedürfnisse nur dort erfolgreich oder zumindest konsequenzenlos befriedigen, wo Leistungsdefizite toleriert werden. Solche staubigen Winkel werden auch außerhalb der Privatwirtschaft immer seltener.

Gute Vorgesetzte sind aber auch unmittelbar am Point of Sale präsent, also dort, wo die Leistungen ihrer Mitarbeiter ihre Abnehmer finden oder auch verfehlen. Sie bestärken und bekräftigen positive Kundenbeziehungen und wissen zu unterscheiden, wo auftretende Probleme auf persönliche Schwierigkeiten oder aber auch auf unklare Zielsetzungen und Auftragsformulierungen oder dysfunktionale Organisationsstrukturen zurückzuführen sind. Entsprechend gestalten sie ihre Führungs- und Leitungsinterventionen. Sie steuern also ein soziales System, das durch ein in sich stimmiges Dreieck Führungsbeziehungen - Mitarbeiterbeziehungen – Kundenbeziehungen geprägt ist.

Spaß an der Arbeit

Unsere Ergebnisse beinhalten aber auch eine Botschaft an Mitarbeiter. Sollte es Probleme mit dem Chef geben, empfiehlt es sich, nicht wie das Kaninchen auf die Schlange zu starren, sondern sich vielmehr kraftvoll dagegen zu stemmen, dass der Vorgesetzte einen allzu langen Schatten auf die eigene Arbeit wirft.

Man sollte sich dann bewusst gönnen, Freude an der Zusammenarbeit mit Kollegen und den Kontakten mit den Kunden zu entwickeln und auszubauen. Hieraus entsteht ein Spaß an der Arbeit, der es ermöglicht, gute Arbeits- und Leistungsbeziehungen zu diesen Menschen herzustellen. Man nehme seinen Chef wichtig, ordne seine Bedeutung aber in den Gesamtzusammenhang der eigenen Arbeit ein. Bei schlechten Vorgesetzten sollte man sich nicht selbst klein machen, sondern die inneren Bilder, die man vom Chef hat. (DER STANDARD, 8./9.11.2014)