"Portrait of a Lone Farmer" von Jide Tom Akinleminu gewann in Duisburg den 3sat-Dokumentarfilmpreis


Foto: Filmfestival Duisburg

Auf der Viennale suchte man vergebens nach einer Würdigung des im April verstorbenen Michael Glawogger. Dafür wurde ihm jetzt gemeinsam mit den ebenfalls dieses Jahr viel zu früh verstorbenen Filmemachern Peter Liechti und Harun Farocki bei der Duisburger Filmwoche ein Andenken gesetzt.

Alle drei waren dem seit genau 30 Jahren von Werner Ruzicka geleiteten "Festival des deutschsprachigen Dokumentarfilms" eng verbunden und dort regelmäßig zu Gast. 2014 würdigte man sie in jeweils eigenem Format: Glawogger mit einer Ausstellung seiner Fotografien. Farocki mit der Projektion des frühen Films Nicht löschbares Feuer. Und Peter Liechti mit einer Lesung aus dem Buch Klartext, das die "Fragen an meine Eltern" aus seinem letzten großartigen Film Vaters Garten aufnimmt: Gespräche über Alltags- wie sogenannte letzte Dinge, in denen die vom alten Vater aus Rücksicht auf eventuelle Nachmieter möglichst unversehrt gelassene (gekachelte) "Plättli-Wand" zur Metapher für ein ganzes Weltverhältnis wird.

Nur sieben Drehtage

Eine Bewegung vom Tod ins Leben, die auch Hans-Dieter Grabes Film Raimund - Das Jahr davor bestimmt, der in wunderbarer Lakonie den langjährigen Nachbarn in der pfälzischen Provinz porträtiert und mit dessen Trauerfeier anfängt. Raimund hat sich selbst getötet, nachdem seine Frau an Krebs gestorben war. Dann bewegt sich der Film ein Jahr zurück und erzählt in nur sieben Kapiteln und Drehtagen, wie der 72-jährige Mann einen Stapel Baumstämme mit viel Bedacht zerkleinert und als Brennholz abtransportiert.

Ein gutes Beispiel für die Kunst, aus einem schlichten Konzept und einer einzigen Situation einen Kosmos zu entfalten, der über die Charakterzeichnung einer einzelnen Person auch Ethos und Arbeitshaltung einer Generation beschreibt, die gerade abtritt. Eine Generation, als Dokumentarfilmer oft noch in festen Arbeitsverhältnissen abgesichert waren und sich aus dieser Sicherheit Geduld und Widerständigkeit leisten konnten.

Ein Licht auf mögliche zukünftige Produktionsverhältnisse warf die von Filmstudentin Soleen Yusef für das SZ-Magazin produzierte und mit nur dreieinhalb Wochen Vorbereitung und einem Drehtag realisierte Onlineproduktion Der NSU-Prozess, die schmerzlich vorführte, wie Menschen sich ausbeuten lassen und dabei die politischen Vorgaben ihrer Auftraggeber auch noch zur eigenen Sache machen. Etwas bösartig gegenüber den jungen Filmern war die Duisburger Einladung schon, gehört zu ihr ja auch die Pflicht, die Filme am Podium verbal zu vertreten: Manche Filme lässt das wirklich aufleuchten, andere peinlich verdunkeln.

Thematisch stark vertreten auch heuer wieder die Auseinandersetzung mit Räumen: Vom Kampf um urbane Orte in Köln-Ehrenfeld (Wem gehört die Stadt, Regie: Anna Dittges) oder Caracas, wo Obdachlose einen Banktower als "vertikalen Slum" annektiert haben (Ruina, Regie: Markus Lenz) bis zu Sabrina Jägers Hier sprach der Preis, der drei Angestellte mit dem eingeflogenen Konkursvollstrecker in einem abzuwickelnden Baumarkt begleitet.

Thomas Heise erhielt für seine ungewohnt elegischen (durch Brecht-Texte gebrochenen) Ansichten eines Jugendgefängnisses in Mexiko-Stadt in Städtebewohner den arte-Preis. Die gleichwertige 3sat-Auszeichnung ging - den Begriff "deutschsprachig" ins Extrem ausreizend - an den Berliner dffb-Studenten Jide Tom Akinleminu für seine dänisch- nigerianische Vatersuche Portrait of a Lone Farmer. Für Vater und Sohn auch eine Suche nach dem richtigen Ort. (Silvia Hallensleben, DER STANDARD, 11.11.2014)