Lausanne/München - Der Court of Arbitration for Sport (Cas) in Lausanne, die letzte Instanz in sportlichen Streitfragen, wird in seinen Grundfesten erschüttert. Das Cas-System sei kartellrechtlich sittenwidrig und nichtig, sagt Thomas Summerer, Anwalt der deutschen Eisschnellläuferin Claudia Pechstein. Die fünffache Olympiasiegerin führt seit Jahren einen Schadensersatzprozess wegen ihrer Dopingsperre.

Knackpunkt ist die Schiedsklausel der Athletenvereinbarung. Das Landgericht München hat diese im Februar in erster Instanz für unwirksam erklärt. Spitzensportler schließen mit ihren Verbänden Vereinbarungen. In diesen stimmen die Sportler zu, sich in Fragen des Anti-Doping-Kampfes den international gültigen Regeln und dem Code der Welt-Antidopingagentur (Wada) zu unterwerfen und Streitigkeiten vor Sportschiedsgerichten in letzter Instanz eben vor dem Cas auszutragen.

Summerer sagt: "Wir glauben, dass der Cas kein echtes Schiedsgericht ist und es deshalb keine Rechtskraft geben kann." Das Münchener Gericht kritisierte auch die Machtfülle des Eislauf-Weltverbandes ISU. Richter Rainer Zwirlein bemängelte, dass es im Eisschnelllauf anders als etwa im Boxen nur einen Weltverband gebe, dem sich die Sportler mit ihrer Unterschrift unter die Athletenvereinbarung unterwerfen müssten.

Fall Pechstein

Pechstein hatte den Weltverband wegen ihrer auf Indizien beruhenden zweijährigen Dopingsperre 2009 auf 4,4 Millionen Euro Schadenersatz und Schmerzensgeld verklagt. Die 42-Jährige hatte stets argumentiert, eine vererbte Blutanomalie sei für ihre erhöhten Retikulozytenwerte verantwortlich. Beim nächsten Verhandlungstermin am 15. Jänner wird der Fall vermutlich an den Bundesgerichtshof weitergegeben.

Sollten auch die Richter in Karlsruhe der Ansicht des Münchner Oberlandesgerichts sein, droht das Chaos. Denn in den meisten Sportarten gibt es nur einen Weltverband. Bei einem entsprechenden Urteil müsste dann kein deutscher Athlet mehr die Schiedsklausel einer Athletenvereinbarung unterzeichnen. Sollten sich die jeweiligen internationalen Verbände querstellen, drohen Klagewellen.

Heute wird vor dem Cas die wegen Dopings für zwei Jahre gesperrte Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle angehört. Bleibt die Sanktion bestehen, und Pechstein setzt sich durch, dürfte auch Sachenbacher-Stehle vor einem staatlichen Gericht Schadenersatz einfordern. (sid/red, DER STANDARD, 10.11.2014)