Wien - Bei Infarktpatienten, die eine Ballondilatation plus Einfügen eines Stents zum Offenhalten der betroffenen Koronararterie erhalten, sollte wahrscheinlich die Wirkung der begleitenden Blutverdünnungstherapie kontrolliert und eventuell angepasst werden. Das hat jetzt eine Analyse von Wiener Kardiologen ergeben.

Beim akuten Herzinfarkt sollten Patienten binnen kürzester Zeit ins Spital mit Herzkatheterlabor eingeliefert werden. In den ersten Stunden nach dem Verschluss einer Koronararterie verhindert eine sofortige Ballondilatation mit anschließender Gefäßstützen-Implantation (Stent) einen größeren Herzmuskelschaden. Um Thrombosen oder gar Re-Infarkte zu verhindern, erhalten die Betroffenen gleichzeitig eine medikamentöse Therapie, quasi zur "Blutverdünnung". Das geschieht zumeist mit Acetylsalicylsäure (ASS/Aspirin) plus einem sogenannten P2Y12-Antagonisten (Clopidogrel, Prasugrel, Ticagrelor). Beide Wirkstoffe sollen auf unterschiedlichen Wegen eine Zusammenballung der Blutplättchen zu einem Blutgerinnsel verhindern.

Doch nicht alle Patienten sprechen darauf ausreichend an. Kardiologen vom Wiener Kaiser Franz Josef Spital unter Günther Christ und vom Wiener AKH (MedUni Wien) versuchten zu analysieren, ob durch Laboruntersuchungen und eine Anpassung der antithrombotischen Therapie - eine "Individualisierung" - womöglich bessere Ergebnisse zu erzielen wären. Genau das dürfte der Fall sein.

Medikamentenwechsel bei Resistenzen

Insgesamt wurden die Daten von 1.008 Herzkatheter-Patienten mit gleichzeitiger Stent-Implantation analysiert. 53 Prozent davon hatten einen Herzinfarkt. Die Wirksamkeit der antithrombotischen Medikamente wurde mit einer speziellen Labormethode (MEA) gemessen. Trat eine anhaltende Resistenz gegen die "blutverdünnende" Behandlung dabei zutage, wurde das Medikament gewechselt.

Einige Hauptergebnisse sprechen für eine solche Strategie zur Überwindung der Resistenz gegen die Thrombose-hemmenden Arzneimittel. Sie ist von individuellen genetischen Faktoren abhängig, die zu einer kürzeren oder längeren, größeren oder weniger intensiven Wirkung führen. Demnach trat bei 30 Prozent der Patienten eine Resistenz gegen Clopidogrel (600 Milligramm als Erstdosis) auf. Das wurde mit dem Wechsel auf Prasugrel oder Ticagrelor (zu insgesamt 73 Prozent) oder mit einer zusätzlichen Dosis Clopidogrel behandelt. Eine Resistenz gegen Prasugrel wiesen nur zwei Prozent der Patienten auf, was zu einem Wechsel zu Ticagrelor führte. Neun Prozent wiesen eine zu geringe Wirkung von Acetylsalicylsäure auf, was mit einer neuerlichen Dosis von ASS angegangen wurde.

Die in "BMJ Open" veröffentlichte Studie deutet auf die Wirksamkeit eines solchen Vorgehens hin. Nur bei 0,09 Prozent der Patienten kam es innerhalb von 30 Tagen zum sonst gefürchteten Thrombose-Verschluss des Herzkranzgefäßes, in das ein Stent eingefügt worden war. Insgesamt nur 1,8 Prozent der Erkrankten hatten im Laufe von 30 Tagen eine größere Herz-Kreislauf-Komplikation. Die Intensivierung der blutverdünnenden medikamentösen Behandlung führte im Vergleich von Patienten ohne Resistenz gegen die Therapie und jenen, bei denen die Behandlung angepasst wurde, nicht zu einer höheren Blutungsrate. Innere Blutungen sind die Hauptkomplikation bei einer antithrombotischen Behandlung.

Weitere Studien notwendig

Laut den Wissenschaftern wären jetzt größere Studien mit vergleichbaren und per Zufall ausgewählten Patientengruppen wichtig, um endgültige Aussagen treffen zu können. Interessant erscheint jedenfalls der hohe Prozentsatz von Infarktpatienten, die auf die routinemäßig verordnete antithrombotische Begleittherapie offenbar nicht optimal ansprechen. Allein bei den Clopidogrel-artigen Medikamenten könnte das etwa ein Drittel sein. Mit der einfachen Gabe solcher Arzneimittel ist es also offenbar nicht getan. Der Effekt ist bei den einzelnen Patienten nicht ganz sicher. (APA, 11.11.2014)